Das Unmögliche war geschafft. 2009 knackten die Karl-May-Spiele den Rekord. 18 Jahre hatte es gedauert, bis die Marke von Film-Winnetou Pierre Brice überboten wurde. Doch was kam danach? Konnte dieses Phänomen noch einmal wiederholt oder gar getoppt werden? Die 10er-Jahre dieses Jahrtausends brachten viele Veränderungen und Überraschungen.

Angefangen mit den Jahren 2010, 2011 und 2012. Mit „Halbblut“ – 2010 und „Winnetou II“ – 2012 wählte die Kalkberg GmbH Stücke, die in der Vergangenheit nicht für erfolgreiche Spielzeiten standen. Bei vielen anderen Theatern gilt „Winnetou II“ gar als „Kassengift“. Die Besucherzahlen, 2010, 307.787, und 2012, 290.875, konnten diese Befürchtungen jedoch verdrängen. Auch im Jubiläumsjahr 2011 strömten zu „Der Ölprinz“ 303.386 Besucher.  Die Zahlen blieben hoch. Dennoch wurde ein Rückgang von knapp 9% festgestellt.

Mit Spannung erwarteten die Fans und Fürsprecher der Bühne ob und wann die Kurve wieder nach oben steigen würde. Zumal die Verantwortlichen kurz vor Ende der Saison 2012 den Abschied von Erol Sander bekanntgaben. Wie es dazu kam oder wer der Initiator war, ist bis heute der Öffentlichkeit nicht bekannt. Hat der Hauptdarsteller sich bei den Vertragsverhandlungen verpokert? Sollte, wie 1986 in Elspe, eine zu große Abhängigkeit von dem Star verhindert werden? Lag das Problem auf der zwischenmenschlichen Ebene? Niemand vermag es genau zu sagen.

Allerdings würde die Gewissheit über die Hintergründe den Fans das Futter für Spekulationen und Diskussionen nehmen.

Fakt ist: Das für 2013 angekündigte Stück „Unter Geiern – Der Geist des Llano Estacado“ wurde auf 2014 verschoben. Stattdessen sollte „Winnetou I – Blutsbrüder“ aufgeführt werden.

Mit einem neuen Winnetou und einem Ensemble, welches nahezu perfekt miteinander harmonierte. Als Winnetou wurde Jan Sosniok engagiert, ein ebenfalls dem breiten Fernseh-Publikum bekannter Schauspieler. Ihm zur Seite stellte die Kalkberg GmbH drei Gaststars. Zwei von ihnen waren den regelmäßigen Besuchern der Karl-May-Spiele bestens in Erinnerung: Der 2003er Old Surehand, Wayne Carpendale, stieg als Old Shatterhand wieder in den Sattel. Die größte Überraschung gelang allerdings mit der Besetzung des Intschu-tschuna, Winnetous Vater. Nach 6 Jahren kehrte Gojko Mitic zurück zu „seinem“ Theater. Der Rekord-Winnetou von Bad Segeberg sollte also die Silberbüchse an seinen würdigen Nachfolger übergeben.

Am Ende der Saison stand ein neuer Rekord. 322.424 Zuschauer erlebten die Blutsbrüderschaft der beiden Helden. Damit hatten nicht einmal die größten Optimisten gerechnet. Schon gar nicht damit, was in den darauffolgenden Jahren geschah.

 

Jedes Jahr aufs Neue wurden die Besucherzahlen des Vorjahres übertroffen. Unbeachtet von sich wechselnden Wetterlagen oder großen Sportereignissen, wie einer Fußball-Weltmeisterschaft. „Unter Geiern – Der Geist des Llano Estacado“ sahen 329.323 Zuschauer in der Kalkbergarena. 2015, „Im Tal des Todes“ waren es bereits 346.677. 2016, „Der Schatz im Silbersee“, 366.369 und 2017, „Old Surehand“, 372.646. Die Zahlen kletterten immer weiter. So war es nicht verwunderlich, dass während der Spielzeit 2018 die Spekulationen immer lauter wurden, wann endlich die 400.00er-Mauer fallen würde. Zu „Winnetou und das Geheimnis der Felsenburg“ kamen 388.910 Zuschauern. Das Ziel knapp verfehlt. Neben einem neuen Rekord brachte die letzte Vorstellung der Saison eine traurige Überraschung. Der Erfolgs-Winnetou der letzten Jahre kündigte seinen Abschied an. Jan Sosniok verabschiedete sich aus privaten Gründen von der Rolle des Apachen und den Karl-May-Spielen.

2019 war es soweit: die magische Marke fiel! 402.110 Besucher sahen das Abenteuer „Unter Geiern – Der Sohn des Bärenjägers“. Mit einem neuen Winnetou. Bis die Kalkberg GmbH im Frühjahr 2019 die Rückkehr von Alexander Klaws verkündete, kursierten viele Namen in den Medien. 2017 war das Allround-Talent noch als Old Surehand durch die Arena geritten. Jetzt sollte er der größten Rolle dieser Bühne seinen Stempel aufdrücken. Viele waren skeptisch, ob er diese Figur ausfüllen könne.  Aber die Kritiker verstummten schnell. Der Zuspruch der hartgesottenen Fangemeinde und der Erfolg bei allen Fans der Kalkbergarena zeigten: Hier füllt ein Schauspieler mit ganzem Herzen die Rolle aus.

Der Erfolg von 2019 bekam bereits zur Pressekonferenz einen wehmütigen Beigeschmack.

Nach 19 Jahren der künstlerischen Leitung an diesem einmaligen Theater, nicht am Stück, verkündete Norbert Schultze jr., dass dies seine letzte Inszenierung am Kalkberg sein würde.

Überzeugt können wir sagen, dass er wie kaum ein anderer Regisseur die Karl-May-Spiele geprägt hat.

 

Mit großer Vorfreude erwarteten alle die nächsten Jahre am Kalkberg in Bad Segeberg. Niemand hat am Ende der Saison 2019 auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass zu Beginn der 2020er-Jahre kein Karl-May-Stück, wie wir es kennen und lieben gelernt haben, aufgeführt werden kann.

Das Jahr 2020 veränderte nicht nur die Welt am Kalkberg. Es veränderte alles!

Fragen wie „Wie wird der neue Regisseur das schwere Erbe des inzwischen leider verstorbenen Norbert Schultze jr. antreten? Gehen die Besucherzahlen weiter hoch?“ rückten in den Hintergrund.

Alle hofften, dass bald wieder Winnetou und Old Shatterhand durch den Arenasand reiten und für das Gute kämpfen würden.

 

Übersicht der Spielzeiten:

2010 – Halbblut
2011 – Der Ölprinz
2012 – Winnetou II
2013 – Winnetou I – Blutsbrüder
2014 – Unter Geiern – Der Geist des Llano Estacado
2015 – Im Tal des Todes
2016 – Der Schatz im Silbersee
2017 – Old Surehand
2018 – Winnetou und das Geheimnis der Felsenburg
2019 – Unter Geiern – der Sohn des Bärenjägers