Winnetou und das Geheimnis der Felsenburg. Ein auf Freilichtbühnen kaum bespielter Stoff, der auch nie verfilmt wurde. Als 2004 „Die Felsenburg“ für die Spielzeit 2005 angekündigt wurde, waren alle überrascht, wurde doch zuletzt 1969 diese Adaption auf die Bühne am Segeberger Kalkberg gezeigt. Wir blicken in den nächsten Tagen auf die Spielzeit 2005 zurück.
Heute ein Interview mit Götz Otto, dem Darsteller des Harry Melton aus dem Jahr 2005.
Face your fear!
Aussergewöhnliche Schurken sollten in einer Aufführung auch aussergewöhnlich besetzt werden. Dies ist in dieser Spielzeit sicherlich gelungen. Die diabolische und gleichzeitig charismatische Gestalt des Harry Melton wird in diesem Jahr von keinem geringeren als Götz Otto verkörpert. Otto ist einer der wenigen deutschen Darsteller die sich in den letzten Jahren bis in internationale Großproduktionen hinein- und damit in die Champions League der Unterhaltung vorspielen konnte. Unter den Gastdarstellern die in den vergangenen 54 Jahren am Kalkberg ritten und schossen, nimmt Otto zweifellos einen der vordersten Plätze ein. Während der laufenden Saison nahm sich der vielbeschäftigte Mime Zeit für ein gemeinsames Gespräch über sein Engagement am Kalkberg und seine Pläne für die nähere Zukunft.
Vielen Dank für die Gelegenheit zu diesem Gespräch, es war ja gar nicht so einfach zwischen all ihren Terminen ein GO für heute zu bekommen.
Götz Otto: Genau, ohne G O (Wortspiel mit den Namensinitialen, Anm. d. Autoren) geht ja erstmal gar nichts.
Bond-Superschurke, SS-Mann, Verbrecher – so kennt das Publikum sie. Wie fühlen sie sich am Kalkberg mit ihrer Rolle?
Götz Otto: Ich finde nicht, das man da Vergleiche ziehen kann. Das mache ich auch nie, ich vergleiche keine Rollen untereinander um dann zu entscheiden, welche ich besonders toll gefunden habe.
Wie ordnen sie das Engagement am Kalkberg denn dann ein?
Götz Otto: Es ist etwas einzigartiges und besonderes für mich, das ich in keine Relation mit anderen Arbeiten setzen kann. Dafür sind die Anforderungen die diese Rolle an mich stellt auch einfach ganz besondere.
Können sie das näher erläutern?
Götz Otto: Das fängt beim Reiten an und hört bei dem Erlebnis live vor Publikum zu spielen auf. Insbesondere letzteres gepaart mit dieser gewaltigen Naturkulisse sind Elemente, die es beim Drehen einfach nicht gibt.
Vermissen sie nicht die Möglichkeit wie bei Dreharbeiten, Dinge bzw. Szenen oder Einstellungen wiederholen zu können?
Götz Otto: Nein. Jede Vorstellung verläuft anders – mal mehr, mal weniger. Das ist auch die große Qualität von Theater generell, das es eben keine „Konserve“ ist. Der Fehler den man gemacht hat, hat man gemacht. Das erfordert eine ganz andere Konditionierung und Flexibilität, das ist für mich sehr spannend.
Wie ist es denn zu ihrer Verpflichtung hier in Bad Segeberg gekommen?
Götz Otto: Oh, recht unspektakulär über eine Anfrage bei meiner Agentur.
Gab es denn schon vorher irgendwelche Erfahrungen oder Kenntnisse ihrerseits über diese Bühne?
Götz Otto: Nein, überhaupt nicht. Ich musste mich erstmal kundig machen und mich bei Kollegen umhören, die hier schon einmal tätig waren. Aber deren positiven Aussagen haben mich dann bewogen, mich ernsthaft mit der Überlegung zu beschäftigen. Spätestens beim Anblick dieser Kulisse wusste ich aber: hier willst du spielen!
Können sie diese Eindrücke näher beschreiben?
Götz Otto: Na ja, ich war im Winter zum ersten Mal hier, habe hier unten im Rund gestanden und meinen Blick langsam an den Sitzreihen emporwandern lassen und dann ging mir der Stift! Yeah! So was hast du noch nie erlebt! Face your fears! Das machst du!
Werfen wir einen Blick in eine noch weiter zurückliegende Vergangenheit. Sie waren Leistungssportler?
Götz Otto: Ich war Ruderer, unter anderem in der Juniorennationalmannschaft und konnte einen Vizeweltmeistertitel erringen. Aber mein Knie hat mir dann einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Hat die Schauspielerei in ihrer Familie Tradition?
Götz Otto: Gar keine. Mein Vater führte einen eigenen Bäckereibetrieb und ich bin in einem mittelständischen Betrieb groß geworden. Mit Schauspielerei hatte ich eigentlich gar nichts tun. Aber in Folge meiner Sportinvalidität wurde ich ausgemustert. Da waren mir also 18 Monate (Jaaaa! Damals diente man noch so lange in der Bundeswehr! Anm. d. Autoren) geschenkt worden und ich fragte mich, wie ich diese nutzen sollte. Irgendwie fiel mir eine Buch über eine Schauspielschule in die Hand. Das weckte mein Interesse. Ich hatte das Gefühl, das das auch eine echte Schule für`s Leben sein könnte. Aber dann habe ich doch sehr schnell erkannt, das dies auch als Beruf das Richtige für mich sein würde. Das war noch bevor ich von einer Schauspielschule aufgenommen wurde.
Ist das ein Beruf den sie ihren Kindern eines Tages empfehlen können?
Götz Otto: Es ist ein sehr schwieriger Beruf, dessen Probleme sich nicht so sehr in seiner Ausübung sondern vielmehr in der Schwierigkeit eine entsprechende Anstellung zu finden äüßern. Es gibt leider sehr viele arbeitssuchende Schauspieler in Deutschland.
Aber sie sind nicht nur als Darsteller sondern auch als Autor tätig.
Götz Otto: Damit habe ich schon sehr früh parallel zu meiner Ausbildung begonnen. Mein damaliger bester Freund war auf der Filmhochschule München und mit ihm zusammen habe ich damals schon angefangen, einige Projekte zu entwickeln.
Weihen sie uns in die Story ein?
Götz Otto: Dazu muss man wissen, das es neben dem Filmfest in München das Filmhochschulfestival gibt, an dem sehr viele internationale Hochschulen teilnehmen. Hierzu wird alljährlich ein Trailer produziert und den haben wir eben gemeinsam entwickelt. Aber dieser Trailer fand viel Anklang und wir erhielten in der Folge diverse Anfragen für weitere Arbeiten.
Wie haben sie dann die Verwirklichung ihrer Ideen vorangetrieben?
Götz Otto: (grinst) Na ja, die semiprofessionellen Zwei haben dann eine gemeinsame Firma gegründet und haben sich dann professionell vermarktet. Das funktionierte zu unserer Überraschung sehr gut. Schon bald konnten wir andere Autoren hinzuziehen und einen Pool bilden, damit wir die ganzen Aufträge selber abwickeln konnten.
Wie lange haben sie dies aktiv betrieben?
Götz Otto: Ungefähr 5 Jahre. Aber dann merkte ich, das der administrative Aufwand den ich betrieb so groß war, das ich selbst kaum noch künstlerisch tätig sein konnte. Ich wollte doch meine eigenen Projekte realisieren und nicht nur Akquise für die anderen Autoren betreiben. Darauf habe ich die Firma verlassen. Das Unternehmen existiert heute immer noch.
Finden sie denn noch Zeit für ihre eigene Autorentätigkeit?
Götz Otto: Nur noch selten und unregelmäßig. Aber aufgegeben habe ich die Schreiberei nicht.
Wie beurteilen sie als Autor denn die Geschichten von Karl May hinsichtlich ihrer Attraktivität als Lesestoff ? Immerhin haben die Helden des MAYsters nicht zuletzt durch Romanzyklen wie Harry Potter erheblich Konkurrenz bekommen.
Götz Otto: Das muss man differenzieren. Karl May und Joanne K. Rowling sind nicht vergleichbar. Beide bedienen die Bedürfnisse der Leser ihrer Zeit. Aber bei Karl May kommt ein Aspekt hinzu, der seine Stoffe aufwertet: die Tradition! Karl May hat eine große und lange Tradition, Projektionsfläche für Träume und Sehnsüchte von heranwachsenden jungen Menschen zu sein. Die Werte die da vermittelt werden haben heute noch Gültigkeit. Dabei kommt der Humor in den Geschichten auch nicht zu kurz.
Ist Karl May noch einmal ein Filmprojekt wert?
Götz Otto: Es ist doch eigentümlich das die satirische Umsetzung eines Originalstoffes erfolgreicher ist als die ursprüngliche Filmerversion. Nach einer so erfolgreichen Produktion wie „Schuh des Manitou“ dürfte es schwer sein, das Publikum für eine ernste Umsetzung zu gewinnen.
Also ist nicht so sehr der lange Schatten eines Pierre Brice das Hindernis für eine Neuverfilmung als der doppelte Schatten von Bully Herbig als Abahachi und Winnetouch?
Götz Otto: Richtig. Das Publikum das heute ins Kino geht, denkt nicht mehr an Lex Barker und Pierre Brice. Die kennen sie bestenfalls noch den Wiederholungen im Fernsehen. Aber Christian Tramitz und Bully Herbig, die hat man selbst erst im Kino erlebt.
Blicken wir noch einmal auf ihr unmittelbares Wirken. Wie würden sie die Figur des Harry Melton beschreiben?
Götz Otto: Ja, wer ist Harry Melton eigentlich? Er steht für die gradlinige Böshaftigkeit. Selbst die Pesos die er dem mexikanischen Bettler zuwirft dienen nur dazu, sein Tun zu verschleiern. Ein widerwärtiger Charakter den es lohnt, zu beseitigen.
Wie ist das Verhältnis Harry Meltons zu Judith Steinberger?
Götz Otto: Melton liebt Judith..
Na ja…(zweifelnd)
Götz Otto: Doch! Absolut! Der findet diese Frau sexy, eine Partnerin durch und durch. Aber er hätte auch keine Skrupel sie über die Klinge springen zu lassen, wenn sie ihn nicht wirklich unterstützen würde. Dafür ist er einfach zu exozentrisch und zu egoman. Wir haben darüber viel diskutiert. Zuerst sollte mein letzter Schrei in der Todesszene dem Komplizen Weller gelten. Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, meinen letzten Aufschrei Judith zu widmen.
Ein Beweis dafür, das sich Stücke fortlaufend entwickeln?
Götz Otto: Auf jeden Fall!
Wir haben in unserem Interview mit Saskia Valencia gefragt, ob Judith bei Erfolg der gemeinsamen Pläne irgendwann Melton aus dem Weg geräumt hätte. Was meinen sie wohl hat sie geantwortet?
Götz Otto: (überlegen lächelnd) Das würde Judith gar nicht schaffen! Dazu ist Melton skrupellos genug anderen auch Skrupellosigkeit zu unterstellen. Das macht vorsichtig. Die Beziehung trägt schon alle Züge von Liebe, Begierde und Zuneigung. Melton liebt ihren schlechten Charakter. Der steht dem seinen schon sehr nahe. Aber im Ende zählt nur sein eigener Vorteil.
Nach dieser so deutlichen Charakterisierung stellt sich die Frage, wieviel von Harry Melton steckt in Götz Otto drin?
Götz Otto: (dramatisch) 100 Prozent!
Tja, die Öffentlichkeit kennt sie eigentlich nur in Schurkenrollen…
Götz Otto: Das stimmt so nicht. Am Theater habe ich eigentlich nur die „Guten“ gespielt. Vor der Kamera allerdings waren es fast immer nur die „Bösen“. Das ging mir eine Zeitlang gewaltig auf die Nerven und ich machte mir schon Sorgen über mein Image. Aber dann habe ich auch realisiert, das diese Rollen meistens die spannenderen sind. Fiese und böse Charaktere schränken den Darsteller in seinen Möglichkeiten nicht so sehr ein. Den „Guten“ kann man meist nur auf eine Weise darstellen, die Varianten einen „Bösen“ darzustellen sind wesentlich vielfältiger.
Als Schurke mussten sie gegen die edelsten Helden antreten: James Bond und Old Shatterhand. Wer war der größere Gegenspieler?
Götz Otto: (lacht) Ich glaube Joachim Kretzer ist einige Zentimeter größer gewachsen als Pierce Brosnan!
Haben sie ein Motto für ihren Beruf?
Götz Otto: Stelle dich der Situation wie sie gerade ist.
Sind die drei Zweikämpfe die sie im Stück zu bestreiten haben die größte Herausforderung in diesem Bühnenstück?
Götz Otto: Wenn solche Actionszenen einmal vollständig choreografiert und einstudiert sind, dann laufen die ohne besondere Probleme. Die größere Herausforderung liegt darin, das ich insbesondere im zweiten Teil fast ständig auf der Bühne und somit permanent im Einsatz bin. Dabei konzentriert zu bleiben und das richtige Timing auch in den kürzesten Auftritten zu bewahren ist viel anstrengender als sich mal mit einem Speer in der Hand zu „kloppen“.
Wie gehen sie mit der Belastung um?
Götz Otto: Also ganz ehrlich, so anstrengend habe ich mir meine Arbeit im Vorfeld nicht vorgestellt. Sonntag abend merke ich wirklich , was ich in den Tagen zuvor geleistet habe. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, parallel dazu viel Sport zu treiben. Aber ich merke, das ich das energetisch gar nicht mehr schaffe. Es beschränkt sich zur Zeit auf einige gymnastische Übungen.
Die Arbeit am Kalkberg ist oft mit Blessuren und Verletzungen verbunden. Wie lautet ihre Zwischenbilanz?
Götz Otto: Ich hatte zwischenzeitlich etwas Probleme mit dem Knie und dem Meniskus. Aber nichts wirklich ernstes.
Haben sie im Stück bereits eine Stelle ausgemacht die ihnen besonders viel Spaß bereitet?
Götz Otto: Das nicht. Jedoch variiere ich an drei Stellen im Stück bei jeder Vorstellung den Text um meine Mitspieler besonders zu fordern.
Und die wären?
Götz Otto: Im ersten Bild erfinde ich in jeder Vorstellung eine neue Bezeichnung für Clara Velez alias Felisa. Mal nenne ich sie Cocktailkirsche, mal Saftschubse oder Tequila-Maus. Ähnliches passiert, wenn Saskia Valencia vor dem Eingang zur Goldmine die Siedlerin niederschiesst. Auch da wechsele ich jedesmal die Bezeichnung bzw. Beschimpfung für die Siedlerin aus. Zu guter Letzt schreibe ich jedesmal etwas anderes auf den angeblichen Scheckvordruck den ich dann an Oliver Utecht alias Don Timoteo überreiche.
Uns ist aufgefallen, das sie über ein besonderes Improvisationstalent verfügen. In der Premiere verloren sie im vorhergehenden Zweikampf das Scheckheft und passten in der Folgeszene umgehend den Text an. In der gestrigen Vorstellung zerbrach der Degen und sie zückten sofort den Colt und erschossen ihren Gegner.
Götz Otto: Es geht halt immer mal etwas schief. Aber das ist eben der besondere Reiz des Theaters, das man ständig auf der Hut sein muss und sich den Gegebenheiten anpasst. Damit muß man umgehen können. Bei Dreharbeiten kann ich CUT rufen und wir machen das Ganze noch einmal. Das ist hier unmöglich.
Kennen sie noch das Gefühl von Lampenfieber.
Götz Otto: Natürlich. Ich habe auch vor jeder Aufführung eine gesunde Anspannung in mir und trete mit dem Anspruch auf, egal wieviele Zuschauer vielleicht gerade da sind, eine optimale Leistung zu bringen.
Konnte ihre Familie sie auch schon bewundern? Wie waren die Reaktionen ihrer Kinder?
Götz Otto: Ja, die waren schon mehrere Male hier. Meine zweieinhalbjährige Tochter findet es großartig. „Papa geht pämpfen!“ ist schon zu einem geflügelten Wort geworden. Ihr Lieblingsbuch zur Zeit ist das Programmheft. Jeder Besucher zu Hause muß zunächst mit ihr dieses Heft anschauen. Mein vierjähriger Sohn betrachtet das alles viel skeptischer und reagiert vor allen Dingen auf den Lärm sehr sensibel. Ihm gefallen die Tanzszenen am besten.
Verraten sie uns zum Abschluss noch, was ihr nächstes Projekt nach der Saison am Kalkberg sein wird?
Götz Otto: Ich werde eine Rolle in dem Film „Alien Autopsie“ spielen – was aber nichts mit der Alien-Serie zu tun hat. Vor einigen Jahren kam ein Film in Umlauf der angeblich die Autopsie eines Ausserirdischen auf der legendären Air Force Base Area 51 zeigte. Es wurde viel diskutiert über die Echtheit dieses Films und am Ende wurde es bewiesen, das es sich um eine Fälschung handelte. Unser Film erzählt von den beiden Männern, die diesen angeblichen Autopsie-Film hergestellt haben. Zwei echte Verlierertypen die im Mittelpunkt einer schwarzhumorigen Komödie stehen.
Wir sind gespannt! Für die verbleibende Saison wünschen wir ihnen weiterhin viel Erfolg und würden uns freuen, sie hier irgendwann noch einmal wieder zu sehen.