Unter Geiern in Burgrieden – Es wird professioneller
Die Festspiele in Burgrieden erleben ihre fünfte Spielzeit. Mit „Unter Geiern – Der Sohn des Bärenjägers“ startet man in eine neue Ära. In den letzten vier Jahren war Mike Dietrich als Autor, Regisseur und Schauspieler für die Inszenierungen verantwortlich. Völlig überraschend wurde dieser jedoch im Herbst 2017 suspendiert. Mit ihm verließ auch der Winnetou Darsteller Ivica Zdravkovic die noch jungen Festspiele.
Ein großer Umbruch also für das Team um Geschäftsführerin Claudia Huitz, der aber gekonnt und schnell vollzogen wurde. Mit Michael Müller wurde ein Mann verpflichtet, der die Bühne und das Team gut kennt, war er doch selber u.a. als Sam Hawkens in den ersten zwei Jahr zu sehen. Müller feiert in Burgrieden nun sein Regiedebut, ist als Autor für das Textbuch verantwortlich und wirkt als Schauspieler in der Aufführung mit. Für Müller keine leichte Aufgabe, denn er hätte lieber den „Geist des Llano Estacado“ inszeniert, was aber aufgrund der frühen Ankündigung der „Bärenjäger“ Episode aus Marketingtechnischen Gründen nicht mehr möglich war. Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Winnetou Darsteller. Gerade in Burgrieden hat man in den letzten Jahren viel probiert und dabei nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen. Mit Alexander Baab in der ersten und Michael Ewig in der zweiten Spielzeit war man offenbar nicht ganz zufrieden, was zumindest bei Alexander Baab eher unverständlich war. Es folgte Ivica Zdravkovic, der aber sein persönliches Schicksal mit dem von Mike Dietrich verknüpfte. Dies sollte sich aber als Glückfall erweisen, denn mit Max Feuerbach als neuem Winnetou, hat man nun endlich auch schauspielerische Qualität auf der so wichtigen Position des Hauptdarstellers gefunden.
Eine neue künstlerische Leitung, ein neuer Winnetou: man durfte gespannt sein, wie sich die Festspiele in diesem Jahr präsentieren. Entscheidend für das Publikum, sind vor allem die Darsteller die uns in Geschichten der Traumwelt des Maysters entführen.
Als Apachenhäuptling Winnetou feiert Max Feuerbach eine gelungene Karl May Premiere. Feuerbach braucht sicherlich noch ein wenig Zeit, um den „Winnetou“ zu verinnerlichen. Haltung, Mimik und Stimme wirken vielversprechend. Bisweilen merkt man ihm einen gewissen Respekt an der Figur des Winnetou an, dies dürfte sich aber mit jeder Vorstellung legen. Er kann Kämpfen, Reiten und seine Stimmlage ist gerade in ruhigen Momenten ein Genuss. Feuerbach könnte sich als wahrer Glücksgriff für die Burgriedener erweisen. Ihm zur Seite steht der Österreicher Martin Strehle als Old Shatterhand. Strehle spielt bereits seine zweite Saison in Burgrieden und weiß zu überzeugen. Er verkörpert den Old Shatterhand glaubwürdig und auch die Kombination mit Max Feuerbach erscheint optimal. Hier eröffnet sich die Chance, ein Blutsbrüderpaar dauerhaft etablieren.
Die Gegenspieler der Blutsbrüder sind Christian Schiesser als Weller und Jannis Hain als Schwerer Mokassin. Schiesser spielt seine Rolle routiniert und mit sichtbarer Freude. Bei mir wollte seine Darstellung aber nicht so richtig „klick“ machen. Zu sehr verliert sich der sympathische Darsteller in großen Gesten und Mimiken. Jannis Hain als Schwerer Mokassin hingegen ist für mich der heimliche Star der diesjährigen Inszenierung. Der Klang seiner Stimme, Haltung und Ausstrahlung täten jeder Karl May Inszenierung gut. Wut und Verzweiflung, Rache und spätere Einsicht kauft man ihm ohne weiteres ab. Es bleibt zu hoffen, dass man Hain noch lange auf dieser Bühne sehen wird.
Marcus Jakovljevic spielt in diesem Jahr mit großen Gefühlen und einer gehörigen Portion Dramatik den Bärenjäger Baumann . In der letzten Spielzeit verkörperte er noch den Sam Hawkens. Wie auch als kauziger Westmann, weiß er als Bärenjäger zu brillieren. Sein Sohn Martin Baumann wird von Ferdinand Ascher verkörpert. Ascher nutzt seine Möglichkeiten leider nicht immer aus und kann aber in den emotionalen Momenten überzeugen. Ein vielversprechendes Talent, welches in Burgrieden sicherlich gerne wiedergesehen wird. Daria Trenkwalder ist als Miss Annie in der einzigen relevanten Frauenrolle zu sehen. Überzeugend und souverän geht die Österreicherin in ihrer kleinen Rolle auf.
Erneut kehrt auch Dirk Linke auf die Bühne zurück. Diesmal in der Rolle des Hobble Frank . Er scheint in seiner Rolle voll aufzugehen und „hobbelt“ munter durch das Festspielareal. An seinem Dialekt darf der gebürtige (!) Sachse allerdings noch arbeiten. Ei verbibbsch! Eine besondere Rückkehr feiert Alexander Baab als Wohkadeh. Der frühere Winnetou-Darsteller kehrt nach vier Jahren nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Kampfchoreograf nach Burgrieden zurück und überzeugt auf ganzer Linie. Als glaubhafter Indianerdarsteller sollte auch er ein fester Bestandteil des Teams werden. Die zahlreichen von ihm choreografierten Kampfszenen des Stückes wirken realistisch und haben Tempo.
Regisseur und Autor Michael Müller ist als Bandit Preston zu sehen. In den kurzen Szenen merkt man auch ihm dieFreude an, wieder auf dieser schönen Bühne mitwirken zu dürfen.
Seinen Einfluss als Regisseur spürt man deutlich. Er weiß die Komparserie gut und gezielt einzusetzen, hat ein gutes Gefühl beim Stellen der einzelnen Bilder und besitzt gegenüber seinem Vorgänger auch ein exzellentes Gespür für die Musikauswahl. Waren in den vergangenen Jahren noch die großen und wuchtigen Klänge eines Hans Zimmer im Überfluss zu hören, geht man heute einen wesentlich dezenteren Weg. Sanfte Melodien gepaart mit den Klassikern von Martin Böttcher sorgen jederzeit für eine passende Atmosphäre. Die ganze Inszenierung wirkt auch wesentlich rasanter und es gibt wenig Längen. Man merkt dass hier ein Profi am Werk ist.
Auch in puncto Organisation auf der Hinterbühne ist es, so die einhellige Meinung der Verantwortlichen, deutlich besser geworden. Insgesamt hat Müller viel an der Struktur gearbeitet und auch dafür gesorgt dass es neue Kostüme angeschafft wurden. Alte Karnevalskostüme sind neuen Lederkostümen gewichen, was dem Gesamtbild der Aufführung natürlich gut tut.
Hinsichtlich des Textbuchs muss man aber durchaus Kritik an Müller üben. Niemand verlangt heute einen puren Karl May, aber hier wurde eindeutig eine Filmadaption vom Klassiker „Unter Geiern“ auf die Bühne gebracht. Zwar gemischt mit Elementen aus der Romanvorlage, allerdings ein ganzes Stück von der Mayschen Vorlage entfernt ohne jedoch Werte und Geist Karl Mays zu vernachlässigen. Müller hat sich bewusst für eine Orientierung am Film entschieden. Im persönlichen Gespräch vertrat der sympathische Autor die Meinung, dass der Film und vor allem die im Buch nicht vorkommende Banditenbande Elemente sind, die Menschen mit „Unter Geiern“ verbinden. Für die Spielzeit 2019 kündigt er aber mit „Im Tal des Todes“ eine Buchvorlage an, die sich stärker an der Vorlage des sächsischen Autoren orientiert.
Der Zuschauer erlebt heuer in Burgrieden ein sympathisches und gutes Ensemble, das die Nähe zum Publikum in jeder Phase sucht. Beeindruckende Pyrotechnische Effekte und eine insgesamt dichte und gut zu verstehende Story ohne größere Leistungsabfälle runden das Bild ab. Das Fundament für die Zukunft ist in diesem Jahr neu und erfolgversprechend ge- oder besser verlegt worden.
Dazu trägt neben der Nähe der Darsteller zu ihrem Publikum auch bei, das es weitere positive Veränderungen auf gesamten Gelände der Festspiele gab. Das komplett veränderte Bühnenbild ist ein kleiner Blickfang. Der künstlich errichtete Hang wurde diesmal nicht notorisch blank gemäht und man ließ den natürlichen Bewuchs zu.
Den Cateringbereich wurde massiv umgestaltet. Auf dem Vorplatz wurden alle Gebäude mit Vordächern versehen, die bis dahin nur mit Sonnenschirmen beschatteten Bewirtungsflächen mit rund 300 Sitzplätzen sind jetzt vollständig überdacht. Der Souvenir-Shop wurde neu gestaltet und das Angebot erweitert, bis hin zu exklusiven Sammeltassen mit den Motiven aller Burgrieder Karl-May-Abenteuer. Auf dem gesamten Areal sind mittlerweile auch Komparsen zu sehen, die stillecht in ihren Kostümen Programmhefte verkaufen oder aber zur Belustigung des Publikums beitragen. Burgrieden wird sich, wenn die Entwicklung so weitergeht, zu einer festen Größe in der Karl May Festspiellandschaft etablieren. Schon heute lässt sich an der fast 85%igen Auslastung feststellen, dass diese Festspiele vom Publikum angenommen werden. Davor ziehen wir natürlich unseren Hut! Weiter so.
hgs; Leutkirch, Burgrieden
Bilder: Mit freundlicher Genehmigung: Michael Müller/Susanne Stupperich