Dasing – „Im Tal des Todes“ – Wenig Besitz, viele Werte!
Fast wäre es vorbei gewesen mit den süddeutschen Karl-May-Festspielen in der Western-City in Dasing. Vor über einem Jahr, am 30. Juli 2017 hatte ein verheerendes Feuer große Teile des Areals zerstört. Der zentrale Platz, der große Saloon und sechs weitere Gebäude fielen den Flammen zum Opfer, Verletzte gab es glücklicherweise nicht. Aufgrund der unklaren Situation rund um das Testament des Gründers Fred Rai, konnte die Western City bis heute nicht neu aufgebaut werden. Eine schwierige Situation für die Veranstalter, war die Western City doch für viele Besucher ein fester Bestandteil für einen Ausflug zu den Süddeutschen Karl May Festspielen.
Für die Veranstalter geht es in diesem Jahr „um alles“. Es soll in Dasing weitergehen, dafür braucht es aber volle Tribünen und ein Publikum welches so begeistert ist, dass es von den Festspielen spricht.
Die Süddeutschen Karl May-Festspiele melden sich mit der Inszenierung von „Im Tal des Todes“ eindrucksvoll zurück. Die Inszenierung stand in der Spielzeit 2008 schon einmal auf dem Spielplan, so dass Textbuchautor und Regisseur Peter Görlach auf seine damalige Vorlage zurückgreifen konnte. In der früheren Version begann die Geschichte im Orient, worauf in diesem Jahr aber verzichtet wurde, da man bereits in der letztjährigen Spielzeit diesen Einstieg wählte.
Welche Handlung erwartet uns also?
Legenden und Mythen ranken sich um die Schätze, die es im Tal des Todes geben soll. Eben diese Legenden locken Scharen von Banditen und Glücksrittern ins Land der Indianer. Der Wächter Tatanka-Tashun fürchtet nun um das Geheimnis des Tals und ruft die Häuptlinge zum großen Rat, unter ihnen auch Apachen-Häuptling Winnetou.
Unerwartet taucht die Bande des „Roten Burkers“ auf und erschießt Tatanka-Tashun. Der Marikopa-Häuptling Hehata-Schanteh schwört daraufhin blutige Rache. Dass die Banditen von einem der mächtigsten Männer des Landes angeheuert wurden, dem einflussreichen Senator Walker, ahnt niemand. Dieser hofft nicht nur, im Tal des Todes den lang ersehnten Reichtum zu finden. Zudem hat er ein Auge auf Amy Wilkins geworfen, die Tochter eines großen Baumwollproduzenten, von der er weiß, dass sie persönliche Verbindungen ins Tal des Todes hat. Welche? Dieses Geheimnis wird erst im Laufe der Geschichte offenbart.
Als Amy Wilkins den Senator abweist, sieht dieser sich in seiner Ehre gekränkt und fürchtet, dass seine Pläne misslingen könnten. Mit einem hinterlistigen Betrug versucht Walker Amy Wilkins gefügig zu machen – doch er hat sich ein zweites Mal verrechnet.
Derweil ist Winnetou den Banditen des „Roten Burkers“ bereits auf der Spur. Gemeinsam mit seinem Blutsbruder Old Shatterhand begibt er sich auf eine gefährliche Jagd, nachdem sie von den wahren Absichten des Senators erfahren haben. Eine furchtbare Ahnung der Blutsbrüder und eine unerwartete Geiselnahme durch Senator Walker bringt alle Beteiligten in große Gefahr.
Der fachkundige Leser erkennt beim Lesen der Inhaltsangabe sehr schnell das Regisseur, Schauspieler und Autor Peter Görlach die Romanvorlage (der Band wurde den Gesammelten Werken 1934 hinzugefügt und enthält einen Teil einer bearbeiteten Fassung des Kolportageromans Deutsche Herzen – Deutsche Helden) stark verändert hat. Dies tut der insgesamt guten und schönen Inszenierung allerdings keinen Abbruch, wenn gleich etwas mehr Nähe zum Roman erfreulich wäre. So erlebt der Zuschauer auf der kleinen aber feinen Bühne eine Inszenierung nach Motiven von Karl May als gelungen bezeichnet werden darf.
Mit Sven Kramer steht nicht nur ein bekanntes TV – Gesicht sondern auch ein großartiger Schauspieler als Schurke Senator Walker auf der Bühne. Kramer spielt den skrupellosen Politiker facettenreich und arbeitet das hinterhältig-böse der Figur hervorragend heraus. Er drückt dem Geschehen auf der Bühne seinen ganz eigenen Stempel auf. Kramer verliebt sich in seiner Rolle in die Stuttgarterin Alisa Ax. Ax spielte noch im letzten Jahr in Burgrieden mit. In diesem Jahr darf Sie als Amy Wilkins (alias Paloma Nakana) gegen das Böse im Dasinger Westen antreten. Sie spielt überzeugend, kann hervorragend reiten und bringt mit ihren Auftritten einen besonderen Charme auf die Bühne. Ein gelungener Einstand für die junge Schauspielerin. Ihr zur Seite steht Geschäftsführer Volker Waschk als Martin Adler.
Für den komödiantischen Part sind Michael Englert als Sam Hawkens und Björn Trenner, in der Rolle des spleenigen Lord Emery Eagle verantwortlich. Beide kommen beim Publikum unglaublich gut an. Für mich ist allerdings die Darstellungsweise des Sam Hawkens ein wenig zu schwach. Hier wäre es wünschenswert gewesen den Westmann mehr herauszustellen. Englert selber holt aber aus dieser Rolle alles heraus und weiß grundsätzlich zu gefallen.
Als Miranda ist Eva Begass in ihrem Element und geht in ihrer kleinen Rolle vollkommen auf. Die Dasinger „Eigengewächse“ Petra Laschner als Elisa Eagle und Gisela Böhnisch als Mrs. Rutherford bereiten dem Publikum besondere Freude. Beide sind Laienschauspieler, agieren aber mit einem solchen Herzblut das sich ihre Freude sich auf das Publikum überträgt.
Autor und Regisseur Peter Görlach spielt seine Rolle des Hehata-Schanteh gewohnt routiniert und mit viel Leidenschaft. Gerade bei Görlach merkt man in jeder Situation seines Spiels das er in seiner Rolle aufgeht. Aufgrund der ähnlichen Rollen die Görlach in den letzten Jahren eingenommen hat, wäre es unglaublich interessant ihn vielleicht einmal in der Rolle eines weißen Schurken zu sehen. Dieses wurde auch die Möglichkeit bieten, einen Nachfolger aufzubauen.
Bleiben auf der Darstellerseite nur noch die Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand. Mit Matthias M und Helmut Urban hat man in Dasing eine Idealbesetzung gefunden, die einfach gut funktioniert und unglaublich wichtig für die Identifikation mit den Festspielen ist. Hier muss man Peter Görlach auch ein dickes Kompliment aussprechen. Er schreibt sowohl Matthias M als auch Helmut Urban die Rollen so, das beide ihre Stärken ausspielen können. Besonders bemerkenswert, weil auf anderen Bühnen in der Regel nicht so, ist die Tatsache das Shatterhand und Winnetou gleichberechtigt miteinander auf der Bühne stehen. Es gibt in Dasing nicht nur den zentralen Fokus auf die Winnetou Rolle. Hier kann sich jede Karl May Bühne noch ein wenig inspirieren lassen.
Fazit:
Dieser Eindruck ist tatsächlich ein ganz persönlicher. Ich kannte Dasing bisher nur aus verschiedenen Aufnahmen und war nie wirklich begeistert. Vieles wirkte zu „hölzern“, manches zu skurril. Der Liveeindruck ist aber ein gänzlich anderer. Ich wurde verzaubert und von dem Geschehen auf der Bühne tatsächlich in die Traumwelten Karl Mays abgeholt. Die Nähe zum Publikum wird von Regisseur Peter Görlach grandios ausgenutzt. Man hat tatsächlich das Gefühl „mittendrin statt nur dabei zu sein“. Das hautnahe Miterleben des Geschehens auf der Bühne, jede Gefühlsregung der Darsteller wird deutlich wahrgenommen – das macht die Spiele in Dasing zu etwas besonderem. Dafür sorgen aber auch die vielen Schauspieler die, obwohl zum Großteil Laien, mit enormem Herzblut und Spielfreude auf dieser Bühne agieren. In den tragenden Rollen hat man zudem mit Matthias M., Helmut Urban, Peter Görlach und vor allem Sven Kramer Darsteller, die das Stück tragen und mit Bravour umsetzen. Auch die Musikauswahl ist fast immer passend. Lediglich einmal wirkt das „Jurassic Park Theme“ äußerst deplatziert.
„Im Tal des Todes“ bietet auch viel Action durch bestens choreografierte Kämpfe und vor allem beim Finale lautstarke Explosionen und rasante Reitszenen. Dazu der Humor, wohl dosiert und an den richtigen Stellen eingesetzt, so dass ich mich als Zuschauer bestens unterhalten gefühlt habe.
Natürlich ist nicht alles perfekt und man darf an einigen Stellschrauben noch arbeiten. Gerade was die Ausarbeitung einiger Rollen und auch die Außendarstellung betrifft. Grundsätzlich versteht man in Dasing aber die eigenen Möglichkeiten auszunutzen. Das Spiel mit dem Licht, das Ausnutzen der Publikumsnähe, das Engagement der vielen Freiwilligen. Es passt vieles sehr gut in Dasing. Mit einem begrenzten Budget und den widrigen Umständen nach dem Großbrand im vergangenen Jahr, kann man viel mehr in dieser Spielzeit nicht erwarten.
„Ihr habt viel Besitz, doch wenig Werte“, bedauert Winnetou in einer Szene Senator Walker gegenüber.. Umgekehrt verhält es sich bei diesem Ensemble, welches, allen Widrigkeiten zum Trotz, auch in diesem jahr die Süddeutschen Karl-May-Festspiele auf die Bühne bringt. Viel Besitz haben sie nicht. Doch umso mehr Werte.
Nachtrag: Versehentlich hatten wir ein Bild in der Beitragsvorschau, welches nicht von uns stammt. Wir bitten dieses Mißgeschick zu entschuldigen und danken Herrn Sigfried Baumann von der Canstatter Zeitung für seine Kooperation!