Elspe 2019 – Im Westen nichts Neues
Winnetou III – kann es einen dramatischen Stoff rund um die legendären Blutsbrüder geben? Todesahnungen des edlen Apachen, ein Blutsbruder der dem aufziehenden Schicksal hilflos entgegen blickt, eine Sterbeszene umgeben von den unschuldigen Männern und Frauen für die der Häuptling sein Leben gab.
Die Dramatik der Geschichte schürt bei vielen Verantwortlichen vielleicht die Sorge eines geringeren Zuschauerzuspruchs. Tatsächlich ist der letzte Teil der Winnetou Trilogie selten auf der Bühne zu sehen. Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung an die diesjährige Inszenierung von Elspe. Doch auch die diesjährige Aufführung leidet unter den bekannten Schwächen, die sich an Buch, Inszenierungsstil und Darstellerleistung festmachen lassen. Großeltern die mit ihren fünfjährigen Enkeln einen ausgefüllten Urlaubstag verbringen wollen mögen sich mit diesem Abschluss eines Tagesprogramms zufrieden geben und die Applausordnung bejubeln. Einen am Theater und der Interpretation der Karl May Romane interessierten Zuschauer kann ein Besuch der wunderschönen sauerländischen Bühne nicht begeistern. Unsere Enttäuschung an der Inszenierung wollen wir an einigen Beispielen festmachen.
Mit Jean-Marc Birkholz und Kai Noll verfügt man über ein bewährtes harmonisch agierendes Blutsbrüderpaar. Während Winnetou nach 10 Minuten seinen ersten Auftritt bewältigen darf, muss sich Old Shatterhand rund 30 Minuten gedulden. Doch in beiden Fällen wird das Potenzial der beiden beliebten Darsteller kaum genutzt. Der erste gemeinsame Auftritt gipfelt in einem Faustkampf mit den Banditen und Handlangern des Schurken Doc Plummer. Aber leider ist diese Actionszene alles andere alles reich an Action. Der gesamte Kampf wird langsam und träge vorgeführt. Man kann man allzu deutlich erkennen, wie z.B. Winnetou Birkholz gelassenen Schrittes seine Position einnimmt um sich ungerührt hinterrücks von einem Banditen umfassen zu lassen. Wie ein Tanz der nur aus Grundschritten besteht wird der gesamte Kampf vorgeführt. In der von mir besuchten Aufführung legte eine Besucherin gähnend ihren Kopf an die Schulter ihres Mannes. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Warum werden die vielen Reiterkomparsen nicht auch zur Belebung der großzügigen Bühne genutzt? Wo auf anderen Bühnen die Siedlungen und Lager vor Bewohnern, Frauen und Kindern nur so wimmeln, wirken die Kulissen hier wie Geisterstädte. Wenn Winnetou im zweiten Akt Doc Plummer zum Dorf der Apachen führt, präsentiert der Häuptling ganze zwei Krieger, drei Frauen und ein Kind. Dasselbe Bild bietet sich bei Szenen in San Manuel, es tauchen lediglich vier männliche Statisten auf, die drei Nebendarsteller und einen Hauptdarsteller umrahmen. Keine Alltagsszenen, nichts was das Bild belebt, die Kulissen bleiben weitgehend ungenutzt. Auch der Siedlertreck der im zweiten Akt aufzieht beschränkt sich auf das Ehepaar Bergmann und einem jungen Pärchen. Die zwei Kutscher können kaum dazu gezählt werden denn sie beschränken sich auf das Halten der Pferde, ausgeschirrt wird nicht. Das sogenannte Abendlager verdient damit kaum den Namen. Stattdessen wird dem Publikum der Bestand an Elsper Pferden in inflationärer Art vorgeführt. Drei Mal reiten die Apachen unter Red Mangas schreiend am Treck vorbei, die Siedler stehen fast unberührt da, Sam Hawkens rennt wild mit den Armen rudernd von links nach rechts und die Kutscher stehen, den Angreifern den Rücken zugewandt da und halten die Pferde fest. Endlich gestatten sich dann zwei der unzähligen Apachen den Treck anzugreifen und müssen sich in slapstickhafter Manier vom Ehepaar Bergmann besiegen lassen. Die gesamte Szene wirkt einfach nur langweilig oder lässt jede Spannung vermissen.
Zur großen Versammlung im Lager der Apachen gönnt man sich, die gesamte Komparserie einzusetzen. Doch anstatt das dörfliche Leben und die anschließende würdevolle Beratung der Häuptlinge zu inszenieren, reihen sich die Komparsen ohne erkennbare Regung oder Teilnahme im Hintergrund auf und die Reiterkomparserie stellt sich in zwei Reihen auf. Einzig Winnetou gönnt sich, vom Pferd zu steigen. Selbst die kleinsten Bühnen wissen indianische Ratsversammlungen angemessener zu inszenieren. Den traurigen Höhepunkt dieses entfremdenden Stils bildet das Abschlussbild. Siedler und Indianer finden sich an einer verlassenen einsamen Kirche ein. Erneut stellt die Regie die Komparsen wie Orgelpfeifen auf der mehrfach gewundenen Treppe die hinauf auf den Kamm führt zusammen. Dort stehen sie völlig ungerührt und teilnahmslos: egal ob die Band der Hounds angreifen oder Winnetou stirbt.
Auftritte diverser Darsteller wirken undynamisch und unmotiviert, die Dialoge werden ohne Leidenschaft und ohne besondere Betonung vorgetragen. Mögen die Mitwirkenden auch noch so verdiente langjährige Kräfte sein, so ersetzt dies leider kein Talent. Es mag eine preiswerte Lösung sein aber damit wird man dem Anspruch dieser wundervollen Anlage kaum gerecht. Das Zutrauen in die Leistung der Mitwirkenden ist so gering, dass die Texte von Unterhäuptlingen und Kutscher hörbar aus dem Hintergrund von Dialogregisseur Benjamin Armbruster gesprochen werden. In der Wahl der Worte unterscheidet das Buch auch nur wenig zwischen Indianern und Weißen. Das lässt die Figuren austauschbar erscheinen.
Auf der Website wirbt der Veranstalter mit „Dynamit, Colts und rauchende Gewehre“. Dabei spielt die Zahl Eins in diesem Jahr eine große Rolle. Neben der Action sind auch Pyro- und Spezialeffekte in diesem Jahr überaus sparsam eingesetzt. Lediglich die Zelte der Apachen werden effektvoll abgebrannt. Ein Pyroeffekt im gesamten Stück. Winnetou selbst führt kein einziges Mal den Kolben seiner Silberbüchse an die Schulter. Der Figur des Sam Hawkens (dessen Rolle so klein ist, dass er inhaltlich leider auch gar nichts zu der Gesamthandlung beiträgt)ist nur ein einziger Schuss vergönnt. Auch Old Shatterhand darf aus seinem „Zaubergewehr“ nur einen einzigen Schuss abgeben – immerhin derjenige, der fast unbemerkt den Mörder Doc Plummer ins Jenseits befördert. Die übrigen Banditen ergreifen Hals über Kopf die Flucht. Der Mord an Winnetou, die Rache am Mörder und den sterbenden Blutsbruder im Arm – all dies in 25 Sekunden abgewickelt. Da rettet auch der Schlussdialog zwischen Winnetou und Old Shatterhand die Szene nicht. Beim Publikum erregt dieser Moment unabhängig vom Alter der Besucher keine besondere Reaktion.
Zu dem Ensemble:
Die stärksten Auftritte haben zwangsläufig die Blutsbrüder mit einem Dialog bezüglich der Todesahnungen des Apachen und mit dem Abschiedsdialog während der Sterbeszene. Doch liegt die Masse der Auftritte klar bei Jean-Marc Birkholz, Old Shatterhand Kai Noll hat kaum Gelegenheit, seine Westmann-Qualitäten unter Beweis zu stellen. Doch ist dies dem Buch geschuldet das den beiden Darstellern keine weiteren Gelegenheiten bietet. Übergewichtig scheint dagegen die Figur des Schurken Doc Plummer. Dieser wird von dem einzigen Lichtblick im Ensemble (die Blutsbrüder ausgenommen) verkörpert: Sebastian Kolb. Der junge Darsteller hat sich in den vergangenen Jahren im Ensemble etabliert und auf die Verkörperung der Schurken-Rollen spezialisiert. Wenn gleich seine Gestik mitunter zu expressionistisch erscheint so besitzt er doch alle Tugenden, die man auf einer solchen Bühne benötigt. Die übrigen Darsteller besitzen entweder mangels geeigneter Auftritte keine Gelegenheit zu beeindrucken oder können durch ihre Darstellung nicht überzeugen. Marco Kühne mag ein ausgezeichneter und bewährter Stuntman sein, ein Indianerdarsteller ist er nicht. Gestik, Betonung und Aussprache lassen keinen stolzen Indianer vor uns erscheinen. Stephan Kieper ist als Sam Hawkens zwar passend besetzt, darf aber außer einigen Plattitüden kaum etwas von sich geben. Markus Lürick, der ehemalige Old Shatterhand Darsteller, muss sich als Auswanderer Leo Bergmann eher peinlich in ländlicher Tracht und mit bayrischem Akzent durch die zweite Hälfte der Aufführung kalauern. An seiner Seite agiert dabei Tina Hüttemeister deren Rolle aber nicht weniger bedeutungslos ist und die genau wie Lürick keinen bleibenden Eindruck hinterlassen kann. Die Kleinfamilie von San Manuel besteht aus Jane (Cheryl Baulig), ihrer Tochter Susan (alternierend von Luisa Poddighe und Betty Boerger dargestellt) sowie deren Großvater Zebulon (Wolfgang Kirchhoff). Das Mutter-Tochter Verhältnis vermag Cheryl Baulig glaubhaft zu vermitteln. Doch Großvater Zebulon wirkt in dieser Konstellation eher wie ein Fremdkörper. Wolfgang Kirchhoff gelingt es nicht, die zu erwartende familiäre Nähe und Liebe zu verkörpern. Die Kinderrolle wurde am Aufführungstag von Betty Boerger verkörpert. Wir haben über die Jahre viele Kinderrollen auf den unterschiedlichsten Bühnen erlebt. Man kann Kinder gewiss zu großartigen Leistungen inspirieren und begeistern. Doch die Darstellung der jungen Betty wirkt gehemmt und statisch. Somit drängt sich insgesamt der Eindruck auf, dass ein schwaches Buch auch zu wenig Möglichkeit zur Entwicklung und Ausarbeitung der zu verkörpernden Charakter bietet.
Elspe wird auch in der Zukunft für Schulklassen, Seniorengruppen und Familien ein Ausflugsziel bleiben, die ein organisiertes Tagesprogramm unterschiedlichsten Inhalts erleben wollen. Für Theater- und Karl May Freunde bietet es leider eher Durchschnittware.
1 Kommentar
Um es kurz zu machen.Ich fand das Stück in Elspe dieses Jahr sehr gut! Und mit mir auch viele andere wie öffentlich zu lesen ist! Man darf nicht vergessen, dass das Stück für die ganze Familie ist und deswegen darf es ja auch nicht zu dramatisch sein. Ich finde Jochen Bludau gelingt es immer wieder einige Szenen witzig zu inszenieren und nach der Pause wird es ja auch dramatisch. Marco Kuehne ist ideal besetzt als Red Mangas sowie Sebastian Kolb der übrigens nur im letzten Jahr auch ein Schurke gespielt hat. IN DEN VERGANGENEN Jahren spielte er den kleinen Baeren und bloody Fox. Was die Statisten im Dorf und bei den Indianerzelten betrifft, weniger ist da mehr! In der letzten Szene ist es schon sehr gut gemacht als Siedler und Indianer in der Kirche Zuflucht suchen. Auch die Schluss Szenei ist gut inszeniert als sich Winnetou schützend vor Susan wirft und deswegen in den Armen Old Shatterhands stirbt,, der zuvor Winnetous Moerder deutlich erkennbar erschossen hat. Die Sterbeszene ist sehr eindrucksvoll und sehr emotional dargestellt und die Idee Winnetou wieder,, auferstehen zu lassen ist einfach genial damit niemand traurig nach Hause geht. Der nicht endende Schlussappkaus zeigt das die Besucher voll begeistert sind!! Egal ob Elspe Fan oder erstmalige Besucher. Immer hin kommen viele Besucher im nächsten Jahr wieder!