Verquertes aus Pullman City
Bereits Karl May sah sich während seines Schaffens als Autor mit skurrilen Reaktionen seiner Leser und Gegner konfrontiert. Allerdings musste er sich auch den berechtigten Vorwurf gefallen lassen, es mit der Wahrheit nicht immer genau genommen zu haben. Das Erlebnis, das wir bei dem Besuch der Pullman City in der vergangenen Woche hatten, ist allerdings weniger skurril als bedenklich. Es handelt sich dabei um den traurigen Höhepunkt einer Entwicklung, die als stellvertretend für einen gefährlichen Trend in unserer Gesellschaft betrachtet werden darf. Doch der Reihe nach.
Der Beginn unserer Geschichte liegt im Sommer des vergangenen Jahres. Ein bis zum Frühjahr 2020 weitestgehend unbekannter und von den meisten kaum beachteter Virus mit der Bezeichnung Corona hatte gerade einen furchtbaren Siegeszug rund um die Welt angetreten, Gesellschaft und Wirtschaft massiv getroffen und beeinträchtigt. Neben unzähligen menschlichen Tragödien zeichnete sich auch schnell existenzbedrohende Auswirkungen für viele Unternehmen ab – vor allem im Freizeit- und Unterhaltungsbereich. Neben der Erleichterung, dass im Sommer doch an der ein oder anderen Stelle dem Karl May Freund der Besuch von Spielstätten der Abenteuer rund um Häuptling Winnetou ermöglicht wurde trat auch früh die Frage nach der Verantwortbarkeit solcher Veranstaltungen. Menschliche Nähe bedeutete damals wie heute ein gesundheitliches Risiko. Gesetzlich wie moralisch war und ist jeder Veranstalter in der Pflicht, das Wohl seiner Besucher angemessen zu berücksichtigen und zu schützen. Umso größer unsere Überraschung, bei dem Besuch der Premiere der „Aufführung“ in der Pullman City grobe Verstöße gegen Gesetz und Verstand. Gespräche mit Ordnungsamt und Landesverwaltung bestätigten die Eindrücke und stützten unsere Berichterstattung. Die Möglichkeit, vor unserer Veröffentlichung eine Stellungnahme hierzu abzugeben, ggfs. Fehler einzugestehen und Nachbesserungen in Aussicht zu stellen, wurde von der Geschäftsleitung der Pullman City und deren Presseabteilung trotz mehrfacher Kontaktaufnahme nicht beantwortet. Stattdessen folgte als „Gegenschlag“ ein nicht belegbarer und widerlegter Vorwurf der unrechtmäßigen Verwendung von Bildmaterial durch den Haus – und Hoffotografen des Veranstalters. Auch hier war ein Dialog nicht möglich. Bei Kontaktaufnahme mit dem Fotografen, um seinen Irrtum schnell und persönlich aus dem Weg zu räumen und Anwaltskosten zu sparen, wurde kommentarlos aufgelegt. Stattdessen kontaktierte diese Person verschiedene Veranstalter, um zu fragen ob „Herr Stricker bei Ihnen genauso unbeliebt sei wie bei uns“. Es wurde auch fälschlicherweise vermittelt, dass persönliche Animositäten die Motivation unseres Handelns seien. Als Beweis unserer Sensibilität unseres Umgangs mit Informationen mag Folgendes beispielhaft gelten: als wir davon erfuhren, dass gut 14 Tage vor der Premiere der „Surehand“ Inszenierung ein Hauptdarsteller aufgrund mangelnder Qualität ausgetauscht werden sollte und man konkret an ein bekanntes Gesicht der Karl May Szene herangetreten ist, haben wir auf eine Berichterstattung bewusst verzichtet um weder den Darsteller zu verunsichern noch den Probenablauf durch eine Veröffentlichung zu stören.
Entsprechend gespannt waren wir, ob die Verantwortlichen in diesem Jahr wenigstens die gut gemeinten Vorschläge zur Optimierung der Sicherheitsmaßnahmen aufgenommen haben würden. Entsprechende Würdigung hätte es in unserer Berichterstattung dann auch gegeben. Doch leider müssen wir berichten, dass unser Wild West Reporter, der gemeinsam mit Freunden auf dem öffentlich bekannten Buchungsweg sein Ticket erworben hatte, kurz vor Betreten der Showarena, von der offenbar ihm auflauernden Marketingdirektorin zum sofortigen Verlassen des Betriebsgeländes aufgefordert wurde. Die Marketingdirektorin verwies auf ein unserem Wild-West-Reporter gegenüber ausgesprochenem Hausverbot durch den Geschäftsführer der Pullman City Claus Six aufgrund der letztjährigen Berichterstattung. Dies ist eine glatte Lüge. Weder telefonisch noch persönlich oder gar schriftlich wurde ein solches ausgesprochen. Somit geleiteten dann vier ernst blickende Security Mitarbeiter die Forderung der Marketingdirektorin erfüllend den Vertreter einer freien und unabhängigen Fanseite, die bereits seit über 15 Jahren aus dem Umfeld der Karl May Spiele berichtet und dafür geschätzt wird, zurück auf den Vorplatz des Areals.
Wilder Westen im wahrsten Sinne des Wortes. Es mag der Geschäftsleitung der Pullman City ein Gefühl von Stärke und Macht geben, sich im Schatten anderer machtgieriger Potentaten zu wähnen. Aber eben diese haben es bis heute auch nicht geschafft haben, mit berechtigter konstruktiver Kritik sachlich umzugehen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Eine völlig verquere Denkweise die absurd und unangemessen dafür stellvertretend für einige bedenkliche Tendenzen in unserer Gesellschaft ist. Soll man darüber Lachen oder Weinen? Wir denken, beides wäre berechtigt. Doch der Ernst des Erlebten wird womöglich noch ein juristisches Nachspiel haben, sehen wir hier doch einige bedeutende Rechte von einem „Rinderbaron“ beschnitten, dem die freien „Siedler“ ein Dorn im Auge seines „Viehimperiums“ ist – freie Interpretation des Erlebten im Wild West Jargon. Diesen zumindest hat man in Pullman City verinnerlicht. Toleranz, Respekt und Ehrlichkeit im Umgang mit eigenem und fremdem Handeln ist dort nicht spürbar. Den Geist Karl Mays kann man dort nicht atmen. Dafür braucht es mehr als ein paar hölzerne Kulissen, eine Handvoll Tiere und holprige Dialogfetzen.
Andreas Hardt
Bild: Ruedi Widmer, mit freundlicher Genehmigung; www.ruediwidmer.ch