Im Tal des Todes – Burgrieden spielt sich an die Spitze
Trotz Widrigkeiten während der Saison, Ausfall von Dirk Linke der die Rolle des Leflor spielen sollte und einem Blitzeinschlag der für den Ausfall eines Spielwochenendes sorgte, stehen die Festspiele Burgrieden vor der erfolgreichsten Spielzeit ihrer Geschichte. „Im Tal des Todes“ steht in dieser Saison auf dem Programm und sorgt für Begeisterung beim Publikum – und bei mir!
Im letzten Jahr hieß unserer Überschrift „ Es wird professioneller“. In diesem Jahr ist dieser Schritt nun vollzogen. Was dem Publikum in Burgrieden präsentiert wird ist in allen Belangen richtig gut. Man hat sich mit Ensemble, Regie und Buch auf ein bisher nicht gekanntes Niveau gehoben. Der Inszenierungsstil erinnert an die erfolgreichsten Jahre der Störtebeker Festspiele auf Rügen. Das Sprechtheater ist zurück und wird durch geschickten und sinnvollen Einsatz von Action und Pyrotechnik ergänzt.
Die Geschichte wird durch die Schauspieler lebendig. In diesem Jahr ist es den Festspielen Burgrieden gelungen, mit altbekannten Gesichtern und sinnvollen Ergänzungen ein homogenes und harmonierendes Ensemble zu verpflichten.
Die Schurken: Als Roulin steht Marcus Jakovljevic in seiner dritten Spielzeit auf der Bühne in Burgrieden. Als schmieriger Besitzer des Quecksilberbergwerkes im Tal des Todes überzeugt er auf ganzer Linie und zeigt sein schauspielerisches Talent in jeder Sekunde die er auf der Bühne steht. Man kann diesen Typen einfach nicht mögen, so schmierig und verwegen zieht er im Tal des Todes seine Kreise. Ihm zur Seite steht sein Handlanger Leflor, verkörpert durch den Karl May erfahrenen Fred Lobin. Lobin, der schon als Santer in Burgrieden auf der Bühne stand und zuletzt bei den Karl May Spielen im schweizerischen Engelberg in verschiedenen Rollen zu sehen war, verkörpert den wohl interessantesten Charakter. Seine Liebe zur Almy Wilkins lässt ihn immer wieder sehr weich erscheinen, während er als Handlanger von Roulin brutal mit den gefangenen Bergarbeitern umgeht. Diese Zerrissenheit spielt Fred Lobin mit Bravour und zeigt ein facettenreiches und intensives Spiel. Als trunksüchtiger Häuptling Eiserner Pfeil steht Alexander Baab auf der Bühne. Der sympathische Schauspieler spielt, kämpft und flucht sich durch die Arena, das es eine wahre Freude ist ihm zuzusehen. Seine Stimme halt wie ein Donnerhall durch das Areal und seine Ausdrucksstärke erinnert an die ganz großen Indianerdarstellungen anderer Schauspieler auf den großen Bühnen im Norden und Westen der Republik. Baab ist wie gemacht für diese Bühne und das nicht nur als Schauspieler. Dieses Jahr ist er nämlich außerdem als Showkampf- und Stuntkoordinator in der Verantwortung. Das Schurken Quartett komplettiert Marilena Weichert als Senorita Miranda. Falsch wie eine Katze schmiegt sie sich an Old Shatterhand an, nur um kurze Zeit später ihre Schutzbefohlenen an Roulin zu verkaufen. Dieser Spagat gelingt ihr gut und als Zuschauer weiß man nicht ob man sie hassen oder lieben soll. Besonders gefällt das sie nicht mit aufgesetztem Akzent spricht, was unnötige Peinlichkeiten vermeidet. Ihr beim „hochnäsigen“ Spiel zuzusehen ist ebenso ein Genuss wie bei den vermeintlichen Liebesszenen mit Marcus Jakovljevic und Martin Strele. Ein gelungenes Debut für die gebürtige Heidelbergerin.
Die Sympathieträger der diesjährigen Inszenierung werden angeführt von Ferdinand Ascher als Martin von Adlerhorst. Hat mich die Darstellung von Ascher im letzten Jahr nicht vollends überzeugt, so muss ich ihm in diesem Jahr ein großes Lob aussprechen. Der 30jährige Bayer überzeugt mit enormer Bühnenpräsenz und deutlicher Sprache. Eigenschaften die ich im letzten Jahr so nicht wahrgenommen habe. Bei ihm darf man gespannt sein wie die Entwicklung weitergeht, schließlich wird er im nächsten Jahr in der Titelrolle des Old Surehand zu sehen sein. Daria Trenkwalder ist als Paloma Nakana alias Almy Wilkins zu sehen. Im letzten Jahr feierte sie als Miss Annie in „Unter Geiern“ einen gelungenen Einstand in Burgrieden und konnte auch in diesem Jahr wieder überzeugen. Trenkwalder spielt ihre Rolle mit dem nötigen Stolz und in einem Dialog mit Leflor mit überzeugender Intensität und der nötigen aber nie überzogenen Portion Dramatik. Das Zusammenspiel mit ihrem Bühnenvater Helmut Urban wirkt zu jederzeit wie eine reale Tochter-Vater Beziehung. Apropos Helmut Urban. Der Mann spielt schon länger Karl May als es die Bühne in Burgrieden überhaupt gibt. Sein Erfahrungsschatz tut dem Ensemble sichtlich gut. Kennt man Urban vorwiegend in der Rolle des Old Shatterhand, konnte man sich wohl im Vorfeld kaum vorstellen wie er als Indianer wirken kann. In seiner Doppelrolle als Robert Wilkins und Lata Nalgut weiß Urban einmal mehr zu überzeugen. Der Regie ist es hier gelungen durch kluges Stellen des Schauspielers die Stärken hervorzuheben. Spielt Urban in seiner Rolle als Wilkins ist er im vorderen Bühnenbereich zu sehen. In seiner zweiten Rolle als Lata Nalgut, sieht man Urban im hinteren Bereich. Ein kluger Schachzug, denn es gibt wohl kaum einen Schauspieler der europäischer wirkt als der sympathische Österreicher. Das Publikum bekommt, auch dank Urbans gelungenem Stimmwechsel, nicht mit dass Urban eine Doppelrolle spielt. Ein größeres Kompliment kann man dem Darsteller und auch dem Regisseur an dieser Stelle wohl kaum machen. Es bleibt zu hoffen das Urban im nächsten Jahr wieder auf der Bühne in Burgrieden steht. Man braucht einen General Douglas. Vielleicht DIE Rolle für Urban?
Zu den absoluten Sympathieträgern gehören natürlich die wohl größten Helden aus der Feder Karl Mays: Winnetou und Old Shatterhand. Martin Strele verkörpert das Alter Ego Karl Mays bereits zum dritten Mal auf der Burgrieder Freilichtbühne. Man muss wirklich lange suchen um einen Schauspieler auf den anderen Karl May Bühnen zu finden, der so in diese Rolle passt wie der Österreicher. Strele trifft zur richtigen Zeit den passenden Ton, hat eine enorme Präsenz und sieht zudem auch noch so aus wie man sich einen Old Shatterhand vorstellt. Schauspielerisch gehört er sicherlich zu den besten im Ensemble und ist ein absoluter Gewinn für die Festspiele. Spannung, Stimme, Haltung: hier sitzt ein Vollprofi im Sattel. Neben ihm reitet Max Feuerbach in seiner zweiten Saison in der Hauptrolle des edlen Häuptlings Winnetou. Der junge Schauspier hat gegenüber dem Vorjahr einen riesen Sprung gemacht. Fehlte ihm im letzten Jahr noch so ein wenig das majestätische in seiner Rolle, muss man heute festhalten dass er dieses nun mit Leichtigkeit auf die Bühne bringt. Auch bringt Feuerbach nun die nötige Haltung mit und man spürt dass er sich mittlerweile auf dem Pferd deutlich wohler fühlt. Seine Stimme wirkt im Gesamten nochmals klarer und des edlen Apachen würdig. Mit der Kombination Strele / Feuerbach hat man in Burgrieden ein tolles Heldenduo welches man in dieser Konstellation unbedingt halten sollte. Beide können zu absoluten Aushängeschilder für die noch jungen Festspiele werden.
Fehlt nur noch einer: Regisseur, Autor und Sam Hawkens Darsteller Michael Müller. Müller spielt den Sam Hawkens deutlich angelegt an Ralf Wolter in den Karl May Verfilmungen, ohne allerdings zum albernen Westmann zu verkommen. Ganz im Gegenteil. Hier steht ein Sam Hawkens auf der Bühne der nicht nur für die dezenten, humorvollen Momente der Inszenierung sorgt, sondern vor allem als kluger Westmann an der Seite von Winnetou und Old Shatterhand steht. Solches sieht man heute leider viel zu selten auf den verschiedenen Karl May Bühnen. Bemerkenswert auch, das Hawkens dem Publikum keine Kalauer serviert, sondern stets den Humor Karl Mays nutzt oder durch Mimik und Gestik zu überraschen weiß. Dem Publikum gefällt es. Müller ist der heimliche Star der Inszenierung ohne aufdringlich zu wirken und wird vom Publikum in der Applausordnung mit dem größten Beifall bedacht.
Die Inszenierung:
Wir erleben in Burgrieden etwas, das auf den Karl May Bühnen ein wenig verloren gegangenen ist: Eine komplett durcherzählte Geschichte die keine Lücken aufweist, bei der das Handeln der einzelnen Personen und deren Motive zu Ende erzählt wird und nur punktuell der Einsatz von Actionszenen und Pyrotechnik genutzt wird. Auffällig auch dass Regisseur Müller, gegen den allgemeinen Trend, lieber auf längere Bilder setzt als auf viele kurze. So ein wenig fühlt man sich in der Art und Weise an die Störtebeker Inszenierungen Anfang der 2000er erinnert. Auch ein wenig gegen den Trend ist die Art und Weise wie man die Personen inszeniert hat. In dieser Inszenierung spielen Old Shatterhand und Roulin die Hauptrollen. Winnetou bleibt ein wenig eine Randfigur, was dieser Inszenierung aber keinen Abbruch tut. Im Gegenteil: Dann wenn Winnetou auf die Bühne kommt, hat er die Aufmerksamkeit aller und sein Auftritt ist etwas Besonderes. Ganz im Sinne Karl Mays und mittlerweile unüblich. Mutig und gelungen. Besonders gelungen ist auch die Zerrissenheit der Figuren Leflor und Miranda. Beide sind deutlich den Schurken zuzuordnen, sind aber so angelegt das man durchaus mit beiden mitfühlen kann. Beide erleben, auf verschiedene Art und Weise, zum Ende der Inszenierung eine Form der Umkehr ohne das diese kitschig oder aufgesetzt wird. Lobenswert ist auch zu erwähnen dass Müller in seiner Buchvorlage die Glaubensthematik mit einfließen lässt. Diese Thematik zieht sich bei Karl May wie ein roter Faden durch seine Bücher und wird heute auf den Bühnen leider vernachlässigt. Müller beweist hier an verschiedenen Stellen wirklich Mut und hat, ob bewusst oder unbewusst erfahrt ihr in einem späteren Interview mit ihm, gegen den Mainstream inszeniert. Dadurch ist es ihm gelungen eine wirklich Karl May Nahe Inszenierung zu schaffen, die weder Hektik noch Langeweile kennt. Selten habe ich Vorlage Karl Mays auf der Bühne gesehen, die eine solche Textdichte und keine unnötigen Längen bietet.
Fazit: Für mich ist “Im Tal des Todes” bühnenübergreifend eine der besten Inszenierungen Karl Mays der letzten 20 Jahre. Hier stimmt einfach alles. Nicht nur die Aufführung an sich, sondern alles was damit zu tun hat. Die Musikeinspielungen sind besser getimed, die Pyrotechnik wirkt deutlich ausgereifter und platziert, das Ensemble ist vermutlich das beste in der noch jungen Geschichte der Festspiele, Kostüme und Ausstattung haben einen weiteren Schritt nach vorne gemacht, das Bühnenbild ist mehr als gelungen und Regie sowie Buch setzen für die Festspiele Burgrieden und vielleicht auch für andere Karl May Bühnen, neue Maßstäbe. Auch auf dem Vorplatz wirkt alles ein wenig frischer, neuer und Publikumsfreundlicher. Eine Showbühne auf dem Vorplatz lädt zu Action – und Stuntshows ein. In Burgrieden arbeitet man mit „Geduld und Spucke“. Die erfolgreiche Spielzeit 2019 wird die Verantwortlichen bestätigen den eingeschlagenen Weg weiter zu bestreiten. Das Ende der Fahnenstange ist, trotz über achtzigprozentiger (!) Auslastung noch lange nicht erreicht. Schon heute ist es schwer Tickets zu bekommen. Man wird vor Ort über weitere Vorstellungen oder den Ausbau der Sitzplätze nachdenken müssen. Aber alles mit schwäbischer Ruhe und Gelassenheit. Diese Festspiele wachsen gesund. Hoffen wir dass es so bleibt. Mit dem Standard solcher Inszenierungen wie heuer, wird man sich keine Sorgen machen müssen. Ich ziehe meinen Hut und sage als Zuschauer einfach DANKE! Für tolle Stunden „Im Tal des Todes“.
1 Kommentar
Danke für die tolle Rezension.
Im nächsten Jahr werden wir endlich mal die Festspiele in Burgrieden besuchen.
Versprochen.