Happy Birthday großer Häuptling
25.Juni.2016. 20:15. Ein ganz normaler Sommerabend. Bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg sind es nur noch wenige Minuten bis zum Start der 65.Saison. Zu diesem Anlass steht Der Schatz im Silbersee auf dem Programm.
Für eine Person ist dies allerdings kein normaler Abend. Geschäftsführerin Ute Thienel und Bürgermeister Dieter Schönfeld würdigen im Vorfeld einen Mann, der sich „wie kaum ein Anderer um die Karl-May-Spiele verdient gemacht hat“ (O-Ton von Ute Thienel). Auch noch Jahre nach seiner letzten Vorstellung als Winnetou wird er am Kalkberg von groß und klein verehrt. Die Rede ist natürlich von Gojko Mitic. Bis 2006 verkörperte der Wahlberliner 15 Mal die wohl bekannteste Rolle Karl May‘s in der Kalkbergarena.
Als Mitic 1992 an der Seite von Christopher Barker, Sohn von Film-Shatterhand Lex Barker, die Silberbüchse in die Hand nahm, war er bei weitem kein Greenhorn in Sachen Karl May und schon gar nicht in der Rolle des Indianers.
Vom Doubel zum Hauptdarsteller
Den Grundstein für seine beispiellose Karriere, legte Gojko Mitic in den frühen 1960er-Jahren. Bei seinem Sport-Studium in Belgrad wurde er für die Schauspielerei entdeckt. Erst als Stuntman, später in Nebenrollen und 1966 schließlich in einer Hauptrolle. Seinen ersten Film dreht Mitic 1962, als er den Hauptdarsteller in Lancelot und die Königin doubelte.
Erstmals mit Karl May in Berührung kam der gebürtige Jugoslawe 1963. In dem Artur Brauner-Film Old Shatterhand übernahm er eine Kleinstrolle, die eines tanzenden Apachen-Kriegers. Bereits in seinem zweiten Karl-May-Film, Winnetou 2.Teil von 1964, wurde seine Rolle größer und mit der Figur des Weißen Raben hatte Mitic eine kleine Sprechrolle. Im selben Jahr bekam er mit der Figur des Wokadeh in Unter Geiern eine noch größere Aufgabe. Er kämpfte gegen Winnetou und Old Surehand. Um dem Publikum den Eindruck zu erwecken, dass hauptsächlich Deutsche in den Filmen mitwirken, war in den Edits von „Georg Mitic“ die Rede.
Inzwischen waren auch die Filmschaffenden der DDR auf den jungen Mimen aufmerksam geworden. Für ihren ersten Indianerfilm, Die Söhne der großen Bärin (1966), engagierte die DEFA ihn für die Figur des Tokei-ihto. Von vielen Kritikern wurde seine Darstellung hoch gelobt. „glaubwürdig“, „authentisch“, „überzeugend“ sind nur wenige Bezeichnungen, die verwendet wurden. Der Film wird mit über acht Millionen Zuschauern zu einem grandiosen Erfolg und auch international wahrgenommen. Genauso, wie seine elf weiteren Indianer-Filme für die DEFA, in den folgenden Jahren.
Als Chingachgook (Chingachgook, die große Schlange), Ulzana (Apachen und Ulzana), Harter Felsen (Blutsbrüder) oder Weiße Feder (Der Scout) verkörperte er sowohl fiktive, als auch historische Indianer- und Häuptlingsfiguren. Immer ohne Double. Gojko Mitic führte früher all seine Stunts selbst aus. Im Film und auf der Theaterbühne.
DER Filmstar der DDR
Mit seiner Authentizität, seiner Überzeugung und seinem Charisma hat er eine große Fangemeinde erobert. Noch heute ist Mitic eine Art Nationalheld in den „neuen Bundesländern“. ‚Mit seinen Filmen träumten sich die DDR-Bürger in die Freiheit‘. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch heute viele Autogrammwünsche/-jäger aus ostdeutschen Städten auf ihn zukommen.
Um zu zeigen, dass er mehr drauf hat, als den für die Freiheit und Gerechtigkeit kämpfenden Indianer, nimmt Mitic auch andere Rollen an. Für Kino und Fernsehen der DDR spielt er in Filmen wie Signale – Ein Weltraumabenteuer, Visa für Ocantros, Alma schafft alle oder der Serie Das Geheimnis der Anden mit und beweist so sein enormes Talent. Auch auf der Theaterbühne fühlt er sich wohl. So verkörperte Mitic 1975 auf dem Bergtheater Thale den Spartacus. Bis 1984 trat er regelmäßig auf der Bühne im Harz auf.
Doch immer wieder kehrte Gojko Mitic zu seinen Indianerfilmen zurück. Das Image des „Chefindianers der DDR“ war geboren.
Seinen letzten DEFA-Indianerfilm drehte Mitic 1988. Der Fernsehzweiteiler Präriejäger in Mexiko war nach Motiven von Benito Juarez und Trapper Geierschnabel aufgebaut. Diese Bücher stammen aus der Feder von keinem geringeren als Karl May.
Von der zweiten Wahl zum Star am Kalkberg
Nach der deutschen Wiedervereinigung spielt Gojko Mitic in Filmen und Serien meistens eine Nebenrolle (In aller Freundschaft, Verbotene Lieben, Forsthaus Falkenau oder Ein starkes Team). Auf der Theaterbühne hatte er im Gegensatz eine große, wenn nicht die größte, Rolle in Deutschland ergattern können. Ab der Saison 1992 übernahm er die Rolle des Winnetou bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg. Er trat das Erbe von Film-Winnetou Pierre Brice auf der Bühne in Schleswig-Holstein an.
Die Verantwortlichen sahen den Schauspieler 1991 im Bergtheater Thale. Im Harz stand in diesem Jahr Winnetou auf dem Spielplan. Mit Gojko Mitic in der Hauptrolle. Obwohl dieser bereits für die Saison 1992 im Harz zugesagt hatte, schaffte es Ernst Reher (damaliger Geschäftsführer der Kalkberg GmbH) ihn an den Kalkberg zu lotzen. Mit dieser Verpflichtung versprachen sich die Verantwortlichen einen Zuschauerzuwachs aus der ehemaligen DDR.
Was anfangs nach einer Notlösung aussah, Pierre Brice hatte trotz mehrmaligem Anfragen eine weitere Saison als Apachen-Häuptling abgelehnt, entwickelte sich schnell zu einer Erfolgsstory. Neben Show-, Film- und Fernsehgrößen wie Freddie Quinn, Ingrid Steeger, Reiner Schöne oder Dunja Rajter war Gojko Mitic immer der Star, der alle überflügelte.
Gleich am Anfang seines Engagements erklärte Mitic, dass er auch bei den Karl-May-Spielen alle Stunts selber machen wolle. Auch wenn sich seine Stunt-Szenen stark in Grenzen hielten, gewann er schnell die Herzen der Zuschauer. Seine schnell wachsende Fangemeinde ließ sich auch nicht davon beeindrucken, dass er mit seinen damals 52 Jahren nicht der Beschreibung von Karl May entsprach.
Mit Körpereinsatz und Charisma prägte er seine Rolle von Jahr zu Jahr. Das kam bei den Zuschauern und den Verantwortlichen der Kalkberg GmbH an. Besonders waren seine Fans von den nachdenklichen Monologen beeindruckt. In den Szenen, in den Winnetou von Gerechtigkeit und dem sorgsamen Umgang mit der Natur sprechen durfte, war in der Arena eine Stecknadel zu hören.
„Es ist unheimlich schön zur Winnetou-Melodie durch den Mittelring des Theaters zu reiten und diesen Jubel zu hören“.
Die leuchtenden Augen der Kinder und kindgebliebenen Erwachsenen, die ihm in jeder Vorstellung entgegensahen, ließen ihn so manches Film- und Fernsehprojekt ablehnen.
Einige kritisierten, dass der neue Winnetou nicht die vollständige Identifikation mit der märchenhaft angelegten Figur von Karl May hatte. Doch Mitic wollte nie ein Superheld in einem Kostüm sein. Seine Rolle sollte einen Menschen zeigen, der verwundbar war und nicht über allem stand. Mit Erfolg.
Winnetou, mehr als nur eine Rolle
Schnell avancierte Gojko Mitic im gesamtdeutschen Gebiet zu DER Indianer-Figur schlechthin. In vielen Fernsehserien übernahm er Episodenrollen. Natürlich als Indianer (Schloss Einstein oder Forsthaus Falkenau).
Bereits 1993 hatte er die Schirmherrschaft der nach ihm benannten „Spielgemeinschaft Gojko Mitic e.V.“, in Bischofswerda, übernommen. Die kleinsten Karl-May-Spiele Deutschlands besucht Mitic noch heute regelmäßig zu Proben und Vorstellungen. Er gibt den Kindern und Jugendlichen Tipps und steht natürlich für zahlreiche Autogramme und Fotos zur Verfügung. Denn dieser Winnetou ist einer zum Anfassen, vor allem für Kinder. Jeder bekommt ein Autogramm.
Im Jahr 2001 bekam Gojko Mitic die Möglichkeit im Rahmen der WDR-Sendung Menschen hautnah – Der Berufsindianer original Schauplätze seiner früheren Filme zu besichtigen. Sie besuchten die Stämme der Blackfeet und Sioux und zeigten ihnen einige seiner DEFA-Filme. Mitic durfte nicht nur an traditionellen Stammesritualen teilnehmen, obendrein erhielt er von den Ureinwohnern das „schönste Lob seiner Karriere“: Sie fühlten sich von ihm glaubwürdig und einfühlsam dargestellt. „Dort trafen für mich Traum und Wirklichkeit aufeinander – ein Wechselbad der Gefühle“.
„Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören.“
Mit diesen Worten endete 2006 eine Ära. Gojko Mitic entschied sich, nach 15 Jahren und am Ende über 1.000 Vorstellungen, die Silberbüchse weiterzureichen. Zahlreiche Rekorde wurden am Kalkberg von ihm gebrochen. Niemand hat bis heute so häufig die Hauptfigur in Bad Segeberg gespielt. Vor Mitic lag der Rekord des Winnetou bei 362 Vorstellungen.
Die Kalkberg GmbH nahm dies zum Anlass erstmals das Stück Winnetou III auf ihre Bühne zu bringen. Selbst den Zuschauern, die nie ein Buch von Karl May gelesen oder einen Film gesehen haben, wissen, dass hier am Ende nicht das Gute siegt, sondern der edelste Apachen-Häuptling stirbt. Es wurde ein würdiger Abschied von Gojko Mitic. Bei den wenigsten Zuschauern und Verantwortlichen blieben die Augen trocken.
Sein Standing, nicht nur bei seinen Fans, auch bei seinen Kollegen, zeigte sich besonders in der letzten Vorstellung. Viele Spruchbänder und Zwischenrufe der Zuschauer verdeutlichten erneut die Verehrung gegenüber ihrem Star. Nach der Bekanntgabe des Besucherergebnisses und der offiziellen Verabschiedung durch die Geschäftsführerin und dem Bürgermeister, griffen sich Old Shatterhand-Joachim Kretzer und Ko-itse-Joshy Peters die Mikros. Mit einem extra für Mitic umgedichteten Lied feierten sie mit der ganzen Arena noch einmal ihren Helden.
Doch dies sollte kein Abschied für immer sein. Auch in den folgenden Jahren war Gojko Mitic immer wieder Gast am Kalkberg.
Weiterhin spielte er auch in TV-Serien (Soko Leipzig – Der Fall Gojko Mitic) und Filmen mit. Und auch auf der Theaterbühne war er zu sehen. Von 2007 bis 2009 spielte er am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin in Einer flog über das Kuckucksnest, was könnte es anderes sein, den Häuptling Bromden. Ebenfalls in Schwerin sah man 2009 ihn als Alexis Sorbas auf der Bühne.
„Sieh! Der Häuptling kehrt zurück.“
Ein Satz mit Symbolfaktor, den Klekih-Petra-Darsteller Jörg Bundschuh 2013 im Lager der Apachen sagt.
Als Jan Sosniok die Rolle des Winnetou von Erol Sander übernahm, gelang den Verantwortlichen um Ute Thienel ein Coup. Sie gewannen nicht nur Sophie Wepper, als Winnetous Schwester und Wayne Carpendale, als Old Shatterhand, für ihr Stück Winnetou I – Blutsbrüder. Für die Rolle des Intschu-tschuna kehrte der große Publikumsliebling zurück. Der größte Wunsch der Fans und der Karl-May-Spiele wurde erfüllt. Noch einmal nahm er die Silberbüchse in die Hand und übergab sie am Ende des Stückes seinem Sohn Winnetou. Dies war der Start einer immer weiter steigenden Zuschauerzahl am Kalkberg.
Ein weiteres Mal kehrte der inzwischen 76-jährige 2016 zurück auf die Bühne in Bad Segeberg. In diesem Jahr spielte er nicht nur für das Fernsehen im Dreiteiler Winnetou – der Mythos lebt abermals Intschu-tschuna, sondern war auch als Stimme von Winnetous Vater aus dem Off zu hören.
Dies nahm sich die Kalkberg GmbH zum Anlass etwas vorzunehmen, was sie schon längst überfällig erachteten. Die am Anfang beschriebene Ehrung ihres langjährigen Winnetous. Gojko Mitic wurde von Ute Thienel und Dieter Schönfeld in die Riege der Ehrenhäuptlinge am Kalkberg aufgenommen. Er erhielt den Namen „Der mit dem Herzen spricht“, was bei diesem Schauspieler mehr als zutreffend ist.
Jetzt sind wir es, die, anlässlich seines heutigen Ehrentages, mit dem Herzen sprechen:
Lieber Gojko Mitic,
wir wünschen Ihnen alles Gute zu Ihrem 80.Geburtstag. Es ist uns eine Ehre Sie nicht nur auf der Bühne erlebt, sondern auch neben der Bühne am Kalkberg kennengelernt zu haben. Sei es bei Pressekonferenzen oder bei Interviews. Für die Zukunft wünschen wir Ihnen viel Gesundheit und nur das Beste.
Ihre Wild-West-Reporter