„Der Ölprinz“ – Kritik zur Aufführung in Bad Segeberg
Teil 1: Darsteller
Zwei lange Jahre konnten die bereits für die Spielzeit 2020 verpflichteten Darsteller der Karl-May-Spiele ihr Können nicht präsentieren. Zwei Jahre voller Ungewissheit und Frust, Sorge und Verdruss endeten mit der Premiere am 25. Juni. Doch gleich zu Beginn der diesjährigen Spielzeit in Bad Segeberg, war das Covid-19 Virus wieder in aller Munde. Der Grund: Winnetou Darsteller Alexander Klaws wurde positiv getestet und stand für das erste Spielwochenende nicht zur Verfügung. Wohl dem, der einen ehemaligen Winnetou-Darsteller im Ensemble hat! Für Alexander Klaws ritt Sascha Hödl (eigentlich in den Rollen des Jackson und Ka Maku eingeplant) als Winnetou in die Arena ein. Hödl, der bereits fünf Jahre auf der Bühne im Niederösterreichischen Winzendorf als Edelster aller Indianer zu sehen war, überzeugte auf ganzer Linie. Sattelfest, stimmlich überragend und mit hoher körperlicher Intensität, zeigte Hödl dass es keinen „Star“ als Winnetou braucht. Ganz im Gegenteil: Die Leidenschaft zu Karl May und Indianistik sowie das „Brennen“ für die Rolle sind viel wichtiger als ein prominenter Name. Gerade in den ruhigen Szenen und bei seinem, von Autor Stamp großartig geschriebenen Monolog, überzeugte der erst dreißigjährige Hödl das Publikum. So verwunderte es nicht, dass er als einziger Schauspieler mit Standing Ovations bei der Applausordnung gefeiert wurde. Die Segeberger Verantwortlichen haben gewiss genau hingeschaut. Mit Sascha Hödl hat man den Winnetou der Zukunft bereits im Ensemble. Als Winnetous Blutsbruder Old Shatterhand, reitet zum zweiten Mal Sascha Gluth am Segeberger Kalkberg. Leider ist die Rolle des Alter Egos Karl May zu einer „Edelstatisten“ Rolle mit verschwindend geringen Textanteilen verkommen und bietet Gluth keinen Raum sich auszuzeichnen. Es ist bedauerlich, dass die Rolle des Old Shatterhand am Kalkberg nur noch dann relevant ist, wenn ein vermeintlicher Star diese Rolle ausfüllt. Auch persönlich tut es uns für Sascha Gluth sehr leid, hat er als Störtebeker doch zehn Jahre bewiesen, dass er eine tragende Rolle auf einer großen Naturbühne überzeugend verkörpern kann. Eine kaum größer wirkende Rolle bekleidet Melanie Böhm als Lissy. Böhm ist zwar sehr präsent, kann sich aber auch zu wenig auszeichnen. In einer weiteren kleinen Rolle ist Jan Stapelfeldt als Schi-so zu sehen. Der Kalkberg-Neuling wirkt oftmals verloren und hat uns zu keiner Zeit abholen können. Schade eigentlich, bringt er doch optisch und stimmlich einiges mit. Als Sekretär Mr. Baumgarten und Saloon Besitzer Paddy wirkt Stephan A. Tölle bereits in seiner siebten Spielzeit am Kalkberg mit. Und er ist einfach gut. Auch wenn seine Rollen viel zu klein sind so holt der große Fan des FC St.Pauli das Maximum heraus. Seine Auftritte bleiben in der Erinnerung des Zuschauers haften – ein maßgeblicher Unterschied zu Stapelfeldt. Bei so viel Wandlungsfähigkeit wäre es schön ihn in naher Zukunft in einer größeren Rolle zu sehen. Vielleicht sogar als Handlanger eines Schurken. In seinem fünften Jahrzehnt steht Harald Wieczorek auf der Segeberger Freilichtbühne. Als Nitsas-Ini und Bankier Duncan erfüllt er insgesamt die Erwartungen mit der Souveränität, die ihm die jahrzehntelange Mitwirkung verliehen hat. Allerdings wirkt Wieczorek in der Rolle des Nitsas-Ini längst nicht so überzeugend wie in der des Bankier Duncan. Für die heiteren Momente sorgen in diesem Jahr Patrick L. Schmitz als Kantor Hampel und Jogi Kaiser als Sam Hawkens. Schmitz Rolle wurde ihm auf den Leib geschrieben, darf er sich doch wieder in sein Alter Ego Heinz Erhardt verwandeln. Zur Erinnerung: Im Kinofilm von 1965 verkörperte der legendäre deutsche Humorist Erhardt ebenfalls den Kantor Emeritus Hampel. Schmitz macht seine Sache nahezu perfekt und das Publikum honoriert seine Szenen mit vielen Lachern und Applaus. Allerdings lässt man Patrick L. Schmitz auch viel Raum, sich in seiner Paraderolle zu präsentieren. Raum, der anderen Darstellern völlig fehlt. Das größte „Opfer“ bringt die Rolle des Westman Sam Hawkens, verkörpert von Jogi Kaiser. Auch ihn reduziert das Textbuch in unserer Wahrnehmung zu einem „Blödel-Heini“ und Stichwortgeber. Sein gequältes „Hihi“ wirkt nervig. So sehr uns Kaiser noch 2019 als Urs Bürgli überzeugt hat, so sehr waren wir in diesem Jahr von seiner Darstellung enttäuscht. An dieser Stelle hätten wir uns gerne einen Dirc Simpson zurückgewünscht, der zuletzt 2015 die Rolle des Mentors Old Shatterhands mit Bravour verkörperte. Seit 2012 ist Fabian Monasterios nahezu durchgehend bei den Karl-May-Spielen aktiv. Nie konnte er so überzeugen wie in diesem Jahr. Als Mokaschi, Häuptling der Nijoras, darf er sein ganzes Können auf die Bühne bringen. Er ist am Kalkberg kaum noch wegzudenken.
Kommen wir nun zum heimlichen Star der Inszenierung, zu dem großen Kalkberg Liebling. Kommen wir zu Joshy Peters. Dieser stand selbst schon 1993 als Ölprinz im Segeberger Theaterrund und ist am Kalkberg zu einer Institution geworden. In diesem Jahr verkörpert er Buttler, den Bruder des Ölprinzen. In dieser Rolle explodiert Peters förmlich. Ob laute oder leise Töne, fluchend oder naiv. Joshy Peters spielt füllt seine Rolle im Zusammenspiel mit Sascha Hehn perfekt aus. Es ist eine Freude ihm zuzusehen. Man wird das Gefühl nicht los, dass er die letzten beiden durch die Covid Krise verlorenen Jahre im Sand der Arena kompensieren möchte. Chapeau, lieber Joshy, das ist ganz großes Theater. Davon profitiert auch einer der beiden Gaststars: Sascha Hehn. Als umtriebiger und eleganter Bösewicht funktioniert das Zusammenspiel mit Peters wunderbar. Hehn darf als einer der besten „Gaststars“ der vergangenen Jahre bezeichnet werden. Mimik, Gestik, Haltung: Hier ist ein absoluter Vollprofi am Werk der sichtlich Spaß an seiner Arbeit hat und mit dieser Rolle die Gelegenheit nutzt, sich von seinem „Sonnyboy“ Image diabolisch zu lösen. Als zweiter „Gaststar“ spielt sich auch Katy Karrenbauer in die Herzen des Publikums. Karrenbauer, die in dieser Rolle auch 2013 in Elspe zu sehen war, setzt ihre Reibeisenstimme in den richtigen Momenten perfekt ein und man nimmt ihr die resolute Treckführerin in jedem Moment ab. Für den Schreiber dieser Zeilen tatsächlich eine absolute Überraschung, hatte er doch keine hohe Erwartungshaltung.
Nachtrag: Mittlerweile steht Alexander Klaws wieder als Winnetou auf der Bühne. Er wird vom Publikum wieder sehr gut angenommen und verkörpert seine Rolle routiniert. Sascha Hödl spielt jetzt wieder seine ursprünglich angedachten Rollen und weiß auch hier vollends zu überzeugen.
Fazit: Eine insgesamt geschlossene und sehr gute Ensembleleistung, die Spaß macht. Leider sind einige Rollen so klein, dass hier eine Bewertung der Leistung unmöglich ist. Doch dazu mehr in unseren in Kürze folgenden Artikeln.