Unter Geiern-unter Freunden
Für uns ist die alljährliche Pressevorstellung der Karl-May-Spiele Bad Segeberg zu einem liebgewonnenen jährlichen Termin geworden. Freundschaften sind über die Jahre gewachsen und die Neugier auf Änderungen, Darsteller und Inhalte der jährlich wechselnden Inszenierungen ist unverändert groß. Trotzdem aber war die heutige Vorstellung etwas Besonderes. Denn in mehr als einer Hinsicht handelt es sich um eine Zeitenwende am Kalkberg. Doch der Reihe nach. Zunächst einmal waren die Rahmenbedingungen perfekt. Trockenes sonniges Wetter, milde Temperaturen und ein ungewöhnlich hoher Zuspruch von unterschiedlichsten Pressevertretern. Pünktlich betrat Geschäftsführerin Ute Thienel um 12 Uhr die Arena und begrüßte die Anwesenden. Schnell waren die statistischen Angaben zur neuen Produktion aufgeführt: Rund 5 Millionen Euro Budget, 500.000 Euro davon in das neue überaus beeindruckende Bühnenbild investiert und rund 300.000 Euro für moderne ergänzende Bühnentechnik sowie neue Handläufe an den Treppen. Doch kaum waren die statistischen Werte genannt kam es zu einer sehr emotionalen Ankündigung. Für Rekord Regisseur Norbert Schultze Jr. ist es die letzte Saison am Kalkberg. Was in der Gerüchteküche der vergangenen Tage verschiedentlich kochte, ist nun Gewissheit. Ute Thienel bedankte sich für das langjährige und engagierte Wirken des sympathischen Regisseurs und übergab die weitere Moderation sichtlich bewegt an den scheidenden.
Norbert Schultze Jr. übernahm das Mikrofon und führte dann in seiner gewohnt kurzweiligen und von liebenswerten Versprechern geprägten Art durch das Programm. Insgesamt 7 Szenen der Neuinszenierung wurden den Pressevertretern dargeboten. Zunächst wurde das Eröffnungsbild der neuen Inszenierung vorgestellt. Als besonderer Leckerbissen galt das bereits in den ersten Minuten der neuen Aufführung auch der neue Winnetou Darsteller präsentiert wird. Alexander Klaws, dessen Verpflichtung bereits im Vorfeld ein großes Echo in den Medien erhalten hatte, zeigt sich somit sehr früh seinem Publikum. Es handelt sich um einen sehr wirkungsvollen Auftritt den Autor Michael Stamp dem neuen obersten Häuptling der Apachen auf den Leib geschrieben hat. Die Szene zeigt uns das eintreffen verschiedenster Häuptlinge unter der Führung von schwerer Mokassin (Nico König). Die Häuptlinge sollen darüber entscheiden ob das Kriegsbeil gegen die Bleichgesichter ausgegraben werden soll. Während sich Schwerer Mokassin als unversöhnlich und hasserfüllt für den Krieg ausspricht, stellen sich wo Wohkadeh (Fabian Monasterios) und Häuptling Schneller Hirsch (Harald Wieczorek) sowie sein Sohn Moh-aw (Sascha Hödl) auf die Seite des Friedens. Als das Treffen zu eskalieren droht trifft Winnetou ein und in der folgenden Abstimmung Siegen die Tauben über die Falken. Die Mehrheit der Häuptlinge spricht sich für Frieden aus. Der kriegerische Schwere Mokassin will dies nicht akzeptieren und es kommt zu einem Kampf bei dem Klaws erstmals Gelegenheit bekommt, seine Sportlichkeit und Geschicklichkeit im Zweikampf zu beweisen. Habitus, Sprache und körperliche Gewandtheit zeichnen den jungen neuen Häuptlingsdarsteller in dieser Szene aus. Neben Alexander Klaws wissen aber auch Nico König und Sascha Hödl durch ihren vollen Einsatz zu gefallen. Der große Einsatz an Komparsen sorgt für ein effektvolles, kurzweiliges und beeindruckendes Eröffnungsbild der neuen Inszenierung.
Im zweiten dargebotenen Bild begegnen wir der titelgebenden Hauptfigur des diesjährigen Stücks. Martin Baumann, der Sohn des Bärenjägers (gefühlvoll verkörpert von Raul
Richter) rettet die in einen Postkutschenüberfall verwickelte Tiffany O´Toole (Larissa Marolt) vor den kriegerischen Comanchen. Larissa Marolt interpretiert ihre Karl May fremde Rolle einer jungen Schauspielerin im Wilden Westen mit Energie und Dynamik. Selbstbewusst bietet sie Häuptling Schwerer Mokassin die Stirn, gibt sich kämpferisch und widerspenstig. Als gleichwertiger Partner hierbei erweist sich Raul Richter. Nicht weniger einsatzfreudig, körperbetont und draufgängerisch liefert er sich einen Zweikampf mit Nico König. Als der junge Baumann bereits verloren schien, ertönt ein Schuss. Eine Kugel aus Old Shatterhands Henrystutzen reißt dem Schweren Mokassin das Gewehr aus der Hand. Und als ob dies noch nicht genug der Helden ist taucht auch noch Winnetou auf. Wenngleich dieser Auftritt etwas überladen wirkt so sind nun doch alle Protagonisten und Hauptfiguren des Stückes vereint. Auch die Rolle des Old Shatterhand ist in diesem Jahr neu besetzt. Hier darf man es als besonderen Clou der Kalkberg GmbH werten, einen bewährten Heldendarsteller präsentieren zu können: Sascha Gluth. Viele Jahre hat der großgewachsene blonde Darsteller den legendären Freibeuter Klaus Störtebeker auf der Ralswieker Bühne bei den Störtebeker Festspielen verkörpert. An der Seite von Alexander Klaws bietet er einen souveränen Blutsbruder und es ist fast schon bedauerlich, dass die beiden nicht die Gelegenheit haben, als neues Blutsbrüderpaar im absoluten Mittelpunkt der Handlung zu stehen. Aber es wird nun mal (noch) nicht Winnetou I gespielt sondern Unter Geiern. Aber hier darf bereits gesagt werden: Klaws und Glut bilden ein harmonisches Gespann dessen Auftritte Appetit auf mehr machen. Dabei hat es sich Autor Michael Stampf nicht nehmen lassen, dem blonden Heroen einige Textzeilen in das Buch zu schreiben, die als Sidekicks seiner Zeit auf Rügen zu verstehen sind. Bühnen Kenner aufgepasst! Mehr wird hier allerdings nicht verraten. Ergänzend wollen wir aber auch nicht verschweigen dass Nico König als Schwerer Mokassin in dieser Szene bereits seinen zweiten Kampf zu absolvieren hatte. Als Oberschurke besetzt, wird er in diesem Jahr offensichtlich deutlich mehr gefordert als in den Jahren zuvor. Seine Fans wird es freuen. Mit dem Abritt der vier Helden endet diese Szene.
In dem darauf folgenden Bild dürfen die Zuschauer sich auf eine erneute zeremonielle Szene freuen. Im Lager der Schoschonen kommt es zu einer Friedenszeremonie. Winnetou, Old Shatterhand und Häuptling Schneller Hirsch wollen gemeinsam das Kalumet des Friedens rauchen. Stimmungsvoll baut sich die Szenerie auf, doch leider ist diese Szene überschattet von einem tragischen Moment. Häuptling Schwerer Mokassin betritt die Szene und legt dem alten Häuptling Schneller Hirsch den Leichnam dessen ermordeten Sohnes Mo-haw (Sascha Hödl) zu Füßen. Der Schwere Mokassin beschuldigt Martin Baumann des Mordes an dem Häuptlingssohn. Auch hier handelt es sich um eine sehr eindrucksvoll gespielte Szene in der Alexander Klaws vor allen Dingen beweisen kann, dass seine Interpretation der Winnetou Rolle wesentlich von dem gewohnten Bild der letzten Jahre abweicht. Sein Winnetou ist lauter, etwas aufbrausend und emotionaler als wir es von den gereifter wirkenden Darstellern Jan Sosniok und Erol Sander kennen. Man darf gespannt sein, ob diese Interpretation beim Publikum ankommen wird.
In der darauffolgenden Szene wechselt der Handlungsort. Wir befinden uns auf der Farm des Bärenjägers Baumann (Joshy Peters). In dieser Umgebung kommen sich Martin Baumann (Raul Richter) und Tiffany (Larissa Marolt) näher. Eigentlich versucht Martin Baumann nur der vom Leben im Wilden Westen wenig beeindruckten Tiffany den Alltag einer Farm etwas näher zu bringen doch nicht nur die Tätigkeit des Holzhacken wurde der jungen Frau näher gebracht, sondern auch die Vorzüge des offenen und ehrlichen jungen Mannes. Eine schön gespielte romantische Szene die beim Publikum auf große Resonanz stoßen wird. Larissa Marolt spielt die junge und unentschlossene Frau mit großer Überzeugung, Charme und einem dezenten erotischen Touch. Spätestens hier dürfte klar sein, wer die Publikumslieblinge der neuen Saison sein werden. Und das zu Recht. Es sind die emotionalen Momente des Stückes die bis zu diesem Zeitpunkt besonders beeindrucken. Intensiv geführte Dialoge, emotional gestaltete und ausgespielte Momente. Sei es die ausdrucksstarke Trauer Szene des Häuptlings Schneller Hirsch (Harald Wieczorek) oder eben die romantische Szene zwischen den jungen Liebenden: Momente und Botschaften die das Herz des Zuschauers erreichen.
In der abschließenden Szene der heutigen Pressevorstellung wird noch einmal großes Kino geboten. Rund um die Farm des Bärenjägers entfaltet sich buntes Treiben. Regelmäßig treffen sich Siedler und Händler auf dem Farmgelände um Geschäfte miteinander zu machen oder aber zu feiern. In einem üppigen Bild wird die Szenerie von einem Rind, einer Schafherde, Hühnern und nicht zuletzt einem Stinktier belebt. Das Stinktier ist regelmäßiger Begleiter des in diesem Jahr für die Komik zuständigen Duos Urs Bürgli (Jogi Kaiser) und Antonio Ventevaglio (Patrick Schmitz). Ersterer verkörpert einen Schweizer Käsehändler den es in den Wilden Westen verschlagen hat und zweiterer stellt einen italienischen Kunstmaler dar. Lose angelehnt an die vielen Einwanderer Schicksale die Der Wilde Westen erlebt hat, sollen diese beiden von Autor Michael Stamp Figuren in diese Inszenierung eingebauten Figuren (Antonio Ventevaglio entstammt der Feder Karl Mays, Urs Bürgli ist eine von Michael Stamp frei nach Karl May erfundene Figur) für die am Kalkberg typische Unterhaltung sorgen. Ohne die Arbeit der beiden Darsteller schmälern zu wollen standen diese in der heutigen Präsentation jedoch klar im Schatten der dominanten Hauptdarsteller. Die Szene bietet Gelegenheit alle Stärken der Segeberger Aufführung zu vereinen. Ein aufwendig gestaltetes Bild mit großer Komparserie, wunderschöne authentische Kostüme, Musik und Tanz sowie Action in einem finalen Überfall durch die kriegerischen Comanchen. Nach diesem letzten Bild, bot sich die gewohnte Gelegenheit Fotos von den Darstellern zu machen und Interviews mit allen Beteiligten zu führen.
Insgesamt durften wir temporeiche und dennoch emotionale Momente erleben. Nicht zuletzt das wunderschöne Bühnenbild in welches echte Bäume und Pflanzen integriert wurden, zaubert ein neues Erlebnis auf diese Bühne. Die liebevoll gestalteten Kulissen wirken in diesem Jahr nicht so dominant wie in den Vorjahren. Trotzdem verspricht das Bühnenbild so manch überraschenden Auftritt den wir heute noch nicht erleben durften. Das Ensemble wirkt ausgewogen und harmonisch. Dem deutlich verjüngten Hauptdarsteller hat man altersgerechte Gaststars an die Seite gestellt. Mit Alexander Klaws, Sascha Gluth, Raul Richter, Larissa Marolt und Jogi Kaiser taucht eine selten hohe Anzahl von neuen bzw. selten gesehenen Darstellern im Ensemble auf. Umrahmt werden diese von erfahrenen Darstellern mit großer Kalkberg Geschichte. Allen voran Harald Wieczorek und Joshy Peters. Die Rollen mögen kleiner werden aber auf diese beiden Haudegen möchte man nicht verzichten.
Die heutige Pressevorstellung hat großen Appetit auf die neue Spielzeit gemacht. Das Interesse ist allgemein sehr groß. Sei es bei den Medien, sei es beim Publikum. Der Vorverkauf verläuft nach Aussage der Geschäftsleitung extrem gut. Sofern nun auch noch das Wetter mitspielt sollte einer erfolgreichen und vielleicht sogar denkwürdigen neuen Saison nichts im Wege stehen. Die Zeitenwende am Kalkberg ist eingeläutet: Neue Helden treten an, ein besonderer Regisseur tritt ab. Wir wünschen Norbert Schultze Jr. und dem ganzen Team einen unvergesslichen und erfolgreichen Sommer am Kalkberg. Mögen die Spiele beginnen.