Flashlight – Im Gespräch mit Helga Reichert, Alexander Baab und Ferdinand Ascher von den Festspielen Burgrieden
Helga Reichert, wie schwer ist es für dich eine Frau zu spielen, die im Stück, zum Schein, als Mann auftritt?
Vor 20 Jahren hat Kolma-Puschi alles verloren. Ihren Mann, ihren Bruder, ihre Schwester und ihre Kinder. Gerade zu der damaligen Zeit hatte sie als alleinstehende Frau gar keine andere Wahl, als sich zu verkleiden, wenn sie ihre Kinder wiederfinden wollte.
Für eine Frau war es damals im 19.Jahrhundert deutlich schwerer sich durchzusetzen. Hast du dich mit der Rolle im Vorfeld genauer auseinandergesetzt?
Ich glaube, wenn wir in der heutigen Zeit die Situationen der vielen Frauen auf der Welt sehen, zeigt es uns, dass wir nicht so weit zurückgehen müssen. Viele kommen aus Kriegsgebieten und erfahren wenig bis keine Gleichberechtigung. Was leider in vielen Ländern auf der Welt der Fall ist. Daher glaube ich, dass die Rolle, die ich spiele, sehr aktuell ist. Tausende, wenn nicht Millionen Frauen haben das erlebt, was Kolma-Puschi in dieser Geschichte erlebt hat. Ich bin zum Glück in einem demokratischen Land geboren worden und stamme aus einer Familie, die fast komplett aus Frauen bestand. Mein Vater stand oft auf verlorenem Posten. Dazu kommt, dass ich sehr emanzipiert aufgewachsen bin, obwohl das Wort für mich nicht so wichtig ist. Aber ich habe in den letzten Jahren durchaus gemerkt, dass es für Frauen, auch in diesem Beruf, schwierig ist oder schwierig wird, sich bei den Männern durchzusetzen.
Alexander Baab, Helga sagte gerade, dass sie mit Kolma-Puschi eine Rolle spielt, die brandaktuell ist. Sprecht ihr im Vorfeld über so etwas? Vielleicht wie ihr gewisse Momente mehr ausarbeiten könnt, damit diese dem Zuschauer stärker vermittelt werden?
In gewisser Weise schon. Aber bisher eher weniger, weil man sich im Probenprozess befindet und den Charakter der eigenen Rolle finden muss.
Wie siehst du das, Helga?
Ich habe das in diesem Jahr gar nicht so groß vermisst. Alex und ich sind bei den Proben Backstage mit unseren Aufgaben immer sehr eingebunden. Er mit den Kampfchoreografien und ich kümmere mich um die Pferde. Bisher haben wir uns noch gar nicht groß treffen können, um das näher zu behandeln. Ich würde sagen, dass das für dieses Stück auch nicht sonderlich verkehrt ist. Wir treffen auf der Bühne am Anfang als Fremde aufeinander. Die Familie kristallisiert sich erst im Laufe des Stücks heraus und muss sich finden.
Ferdinand Ascher, du spielst mit Old Surehand einen der bekanntesten Helden von Karl May und doch ist er im Buch eine gebrochene Person, mit einer großen Tragik hinter sich. Vielleicht manchmal sogar ein naiver Held. Wie schwierig ist es für dich persönlich sowas umzusetzen?
Solch einen Charakter überzeugend zu spielen, ist auf jeden Fall interessant. Ihm ist klar, dass er kein Held sein will und vielleicht aus dem Grund auch nicht weiß, dass er einer ist. Es sind die Anderen, die ihn zu einem Helden machen. Sie sehen sein Äußeres, seine Eigenschaften. Er jedoch sieht in sich lediglich einen leeren Menschen, der keine Vergangenheit hat. Für diese schwierigen Szenen bin ich froh, dass ich meine Kollegen habe. Sie zwingen Old Surehand dazu ein Held zu sein.
Achtet ihr, als seine Mitstreiter, immer wieder darauf, dass er ein Held ist, der gebrochen ist? Gerade du als sein Bühnenbruder, Alexander, musst du ihn vielleicht das eine oder andere Mal dahin zurückbringen?
Ich muss ihm nur bedingt zuspielen. Es ist mehr unsere Rollenkonstellation, wie wir uns auf der Bühne begegnen und nach und nach wieder zusammenfinden. Es ist ein Prozess. Auf der einen Seite ist da er, der gebrochene Mann, der sein Schicksal scheinbar schon angenommen hat. Auf der anderen Seite komm ich dann als junger Komantschen-Krieger, der versucht seinen Platz im Stamm und im Leben zu finden. Als Apanatschka bricht für mich dann eine Welt zusammen, wenn ich die Wahrheit erfahre. Diesen Prozess, den Old Surehand schon teilweise abgehackt hat, muss ich in meiner Rolle durchlaufen, das macht es interessant. Wir spielen uns quasi gegenseitig zu.
Wie stolz bist du auf deine beiden „Söhne“, Helga? Hättest du dir bessere wünschen können?
Sie sind die zweitbesten Söhne, die ich haben kann. Der Beste sitzt bei mir zuhause.
Was bedeutet es für euch, nach fast 1 ½ Jahren, wieder auf dieser Bühne stehen zu dürfen? Ladies first.
Mir bedeutet es unfassbar viel. Eigentlich war mein Auftragsbuch als Schauspielerin gut gefüllt, Angesichts der Lage wurde schließlich alles abgesagt. Somit habe ich im letzten Jahr auf gar keiner Bühne gestanden. Deshalb machen die Proben umso mehr Spaß, weil man wieder diese alte Energie hat. Da trüben auch die ganzen Hygienebestimmungen, wie das Abstand halten und das Testen, die eingehalten werden müssen, nicht die Freude. Dann mach ich halt den Test. Wenn das bedeutet, dass ich Proben und meinen Beruf ausüben darf, nehme ich das gern in Kauf.
Alexander, wie war es für dich?
Ich kann mich dem nur anschließen. Als es im letzten Sommer ein paar Lockerungen gab, hatte ich das Glück die eine kleine Sprechrolle im Sommertheater im Nerotal oder im Theater Schloss Maßbach zu bekommen. Dies hat mich daran erinnert warum ich gerne auf der Bühne stehe. Doch ungeachtet dessen hat die Zeit sehr an mir genagt. Für mich ist mein Beruf Passion und Lebensinhalt. Es ist so, als ob ich 1 ½ Jahre mein Leben abstellen musste. Ich merke richtig, wie mir das gefehlt hat, hier auf der Bühne stehen zu können. Mir kamen fast die Tränen, als es wieder losging. Mit diesen einzigartigen Kollegen auf der Bühne zu stehen und mit den Pferden zu arbeiten, ist ein tolles Gefühl.
Als letztes der Titelheld. Ferdinand, wie hast du dich nach 1 ½ Jahren Pause gefühlt?
Bei mir ist es ähnlich. Ich hatte volle Auftragsbücher. Es lief super, bis alles abgesagt wurde. Mein Glück war, dass ich viel drehen konnte. So habe ich mich durchgehangelt. Diese Pause hat man dennoch deutlich gemerkt. Zum Glück ist der Kern hier sehr eingeschworen. Wodurch wir uns nie ganz aus den Augen verloren haben. Jeder hat auf den anderen geschaut. Umso größer ist die Freude, dass wir wieder hier sind und spielen können. Alle im Team hängen sich voll rein. Angefangen bei unserem Regisseur (Michael Müller, anm. Autor) und der Theaterleitung um Familie Huitz.
Vielen Dank ihr drei für das nette Interview. Man merkt, dass ihr euch alle riesig auf die Premiere freut.