Pit Anders – mal ganz anders!
Karl May behauptete ein Vielgereister zu sein – Pit Anders behauptet es nicht sondern ist es auch. An drei unterschiedlichen Spielstätten konnte er bereits den Romanfiguren Karl Mays Leben einhauchen. Der Weg führte ihn über das Naturtheater Greifensteine, den schweizerischen Spielort Engelberg bis hin zu der aufstrebenden Bühne in Burgrieden. Wir hatten die Gelegenheit, ihn während der Pressevorstellung in Burgrieden nicht nur zu beobachten sondern auch mit ihm über seine Erfahrungen und Eindrücke mit und von Karl May zu sprechen.
Pit, Du hast schon auf verschiedenen Bühnen Karl May gespielt. Nun hast Du erneut die Jagdgründe gewechselt. Wie sind Deine Eindrücke von Deiner neuen Spielstätte?
Bedenkt man, dass dieses Gelände ja ursprünglich ganz anders genutzt und die Bühne regelrecht aus dem Boden gestampft wurde, bin ich wirklich begeistert. Denn man merkt, dass die Bühne mit großem Herzblut ständig weiter ausgebaut und entwickelt worden ist. Mit großem körperlichen Einsatz und Engagement aller Beteiligten wird laufend gepflegt, verbessert und erweitert.
Du hast also großen Respekt vor dieser Pionierleistung.
Absolut! Das war mit ein Grund warum ich das Angebot angenommen habe, hier zu spielen. Es geht nicht immer nur um Geld. Es geht auch darum, Mitglied einer homogenen Gruppe zu sein, die mit Spaß und Engagement einen Traum verwirklichen will.
Kanntest Du bereits vor Deinem Engagement jemanden aus dem Team der Festspiele Burgrieden?
Aus meiner Zeit in Engelberg (Pit Anders spielte dort einen herrlich kauzigen Sam Hawkens – Anm. d. Autors) kannte ich bereits meinen heutigen Regisseur Michael Müller.
Corona hat vieles durcheinander gewirbelt. So auch die Rollenverteilung in der diesjährigen Inszenierung.
Richtig, ich war ursprünglich für die Doppelrolle des Helmers und des Häuptling Vupi-Umugi engagiert worden. Dann war man jedoch zu einer Umbesetzung gezwungen und mir wurde die Rolle des Old Wabble angeboten.
Wir durften heute ja bereits einen Blick auf Deine Interpretation dieser im Karl May Universum einzigartigen Figur gewinnen. Wie würdest Du die Person Old Wabble einem Außenstehenden vorstellen wollen?
Zunächst habe ich gelesen, wie Karl May selbst in seinem Buch die Figur charakterlich beschrieben hat. Dann habe ich mir selbst eine Vita für Old Wabble erdacht und damit die inhaltlichen Lücken geschlossen, um für mich die zu verkörpernde Figur zu interpretieren.
Was macht diesen alten Cowboy also aus?
Old Wabble ist ein menschenverachtender, desillusionierter alter Mann mit rassistischen Zügen. Ein Opportunist, der keinem Glauben anhängt. Der Kerl ist nur von sich selbst überzeugt. Ich habe schon früher einmal das Buch „Neun Jahre unter den Indianern“ von Hermann Lehmann gelesen. Das ist kein Roman sondern es sind die Memoiren eines nach Texas ausgewanderten Deutschen, der als kleiner Junge von Apachen gefangen wurde und lange Jahre unter ihnen und später auch bei den Comanchen gelebt hat. So ein Jugendschicksal habe ich mir auch bei Old Wabble vorgestellt. Nur schlimmer! Der Überfall, der Tod der ganzen Familie, die lange Gefangenschaft – all das hat in meiner Fantasie diesen furchtbaren Hass auf die Indianer entstehen lassen.
Da hast Du Dich wirklich sehr intensiv mit der zu verkörpernden Rolle beschäftigt. Im Roman findet Old Wabble ein sehr grausames Ende. Wie findet er in Eurer Inszenierung den Tod?
(lachend) Das wird nicht verraten! Aber etwas abgemildert haben wir die Todesumstände schon. So brutal wie im Roman geschildert können wir das in einem Familientheater natürlich nicht präsentieren. Ich wollte aber gerade in dieser Sterbeszene zu zeigen, dass der Mann nicht immer so war wie man ihn zuvor erlebt hat. Alles hat irgendwo seinen Ursprung, seine Geschichte. Doch es ist nie zu spät, dem eigenen Leben eine Wendung zu geben.
Es heißt, Du wärest ein Dauergast im Karl May Museum. Das spricht doch für ein tiefer reichendes Interesse an der Arbeit des Schriftstellers. Woher resultiert diese Liebe?
Ich habe als Kind von 1973 an in Radebeul gelebt und bin dort aufgewachsen. In der damaligen DDR war Karl May lange Zeit verpönt. Man sah in den von ihm geschilderten Heldendarstellungen eine Nähe zu dem nationalsozialistischen Gedankengut. Seiner zweiten Frau Klara wurde darüber hinaus auch eine persönliche Sympathie für die Nazis nachgesagt. Aus diesem Grund waren nur die ganz alten Ausgaben in Altdeutsch verfügbar. Da musste ich mich erstmal in die Sprache hineinfuchsen und das dann jeden Abend heimlich unter der Bettdecke. Kaufen konnte man die Bücher nicht, die wurden also unter der Hand verliehen oder getauscht. Somit war es auch nur eine Frage der Zeit, bis ich zum ersten Mal in das damalige „Indianermuseum“ kam. Dieses Museum beheimatete ja die Sammlung von Patty Frank (dt. Artist, Indianerforscher und Museumsleiter, gest. 1959, Anm.d.Autoren) und er selbst hatte dort ja auch ein lebenslanges Wohnrecht. Der Karl May Bezug kam erst wieder in den 80er Jahren. Nach meiner Erinnerung war es Herbert Graedtke der als Regisseur und Autor an den Landesbühnen Sachsen den Vorstoß wagte, Karl May auf die Bühne zu bringen. Die politische Führung realisierte dann, dass sich das Thema tatsächlich auch erfolgreich verkaufen ließ. Das Museum selbst hat sich wunderbar entwickelt und spricht mit modernster Technik Jung und Alt an.
Wie stehst Du neben Deiner Freude an der Wild West Romantik zu der Person Karl May?
Ein faszinierender Charakter! Aufgewachsen in ärmlichsten Verhältnissen, erlebte er eine Kindheit die einfach nur zum K… war. Seine Fantasie war das Mittel, mit dem er sich aus all dem Elend herausgewunden hat – bekanntlich mit nicht immer legalen Methoden. Damit jedoch hat er eine Einzigartigkeit gewonnen wie kaum ein anderer. In nächtelanger Arbeit, neben sich einen schwarzen Kaffee mit eingerührten Brotkrumen, hat er seine Manuskripte handschriftlich verfasst oder seine Recherchen betrieben. Wenn man sich die noch erhaltenen Manuskripte im Museum betrachtet fällt auf, dass er diese in einem Rutsch durchgeschrieben hat. Keine Korrektur zu sehen! Der hatte das alles im Kopf und es floss aus der Feder. Wenn ich mal ein Liebesgedicht geschrieben habe, musste ich unzählige Male unterbrechen und korrigieren. Der Mann mag eine gespaltene Persönlichkeit gewesen sein aber deswegen auch unglaublich interessant.
Wir sind selten einem solchen Karl May Enthusiasten auf einer der vielen Bühnen begegnet. Genau diesen Enthusiasmus bringt Pit Anders auch in seine Interpretation der des schurkischen Old Wabble ein. Die Wild West Reporter wünschen eine wunderbare und verletzungsfreie Spielzeit in Burgrieden.
Hinweis: Die Festspiele Burgrieden laden zur öffentlichen Generalprobe am Freitag den 2. Juli um 19 Uhr. Ticktes und Infos www.festspiele-burgrieden.de