Holpriger Start für Karl May Spiele in der Pullman City
Es hätte ein besonderer Moment werden können, doch es fehlte an allem etwas und an manchem zu viel. Die Karl May Spiele in der Pullman City im Bayrischen Eging am See, feierten am vergangenen Samstag Premiere. Interessiert schaut die gesamte Karl May Szene auf das Projekt, ist die von Mike Dietrich inszenierte Geschichte „Winnetou und das Geheimnis um Old Surehand“ doch die erste abendfüllende Aufführung der Pullman City. Zur Erinnerung: alle anderen Veranstalter mussten ihre Spielzeit auf das nächste Jahr verschieben oder sich ein alternatives Programm ausdenken. Im vergangenen Jahr startete man in Eging am See das ehrgeizige Projekt Karl May mit einen „Probelauf“ mit der 45-minütigen Action Show „Winnetou und das Gold der Apachen“.
Vor geschätzten 800 – 1100 Zuschauern wurden die Karl May Spiele vom 1. Bürgermeister der Gemeinde Eging am See, Walter Bauer, mit einem Revolverschuss eröffnet. Zuvor lobte der einzige Ehrenbürger der Pullman City, MdB a.D. Konrad Kobler, die Geschäftsführer Ernst Grünberger und Claus Six für ihren Mut, zu investieren und mit den Karl May Spielen in der Pullman City dem Publikum eine weitere Attraktion zu bieten. Er betonte außerdem, dass man in diesem Jahr ein (vermeintliches) Alleinstellungsmerkmal besäße, schließlich wäre man der einzige Veranstalter der die Geschichten Karl Mays’ auf die Bühne bringen würde. Schade, dass man hier unerwähnt ließ, auf die in den September verschobenen Aufführungen der May Festspiele in Mörschied und die Aktivitäten der Süddeutschen Karl May Festspiele Dasing hinzuweisen. Klappern gehört eben zum Handwerk.
Die offizielle Inhaltsangabe:
„Jeder im Wilden Westen kennt seinen Namen. Er gilt als bester Schütze, denn sein Schuss hat noch nie das Ziel verfehlt: Old Surehand. Auf der Suche nach den Mördern seiner Eltern, jagt er durch die Weiten der Prärien.
Ihn umgibt auch ein Geheimnis, eine Vergangenheit, welche seine ewige Suche in eine unerwartete Richtung lenkt. Dabei trifft er auf Winnetou, der ihm bei seiner rastlosen Jagd hilft. Durch allerlei Gefahren auf Leben und Tod zwischen verfeindeten Indianerstämmen, geraten sie auch in die Fänge eines zwielichtigen Mannes – General Douglas.
Doch welche Rolle spielt der mystische Reiter „Kolma Puschi“? Und was hat es mit Old Wabble, dem „König der Cowboys“ auf sich?
Der Weg führt die Freunde in die Rocky Mountains, an einen geheimnisvollen Ort. Unheimliche Dinge erzählt man sich von dem Berg, den man furchtvoll den „Teufelskopf“ nennt.“
Mike Dietrich hat in seiner Doppelfunktion als Autor und Regisseur inhaltlich die Nähe zur Original Handlung Karl May gesucht. Allerdings beschleicht den gut informierten Besucher wieder das Gefühl, Bekanntes zu sehen und zu hören. Gerade bei den Szenen um die Figur der „Kolma Puschi“ fühlt man sich als Zuschauer in das Jahr 2017 an den Segeberger Kalkberg zurückversetzt. Nahezu eins zu eins wurden diese Szenen aus der Segeberger Inszenierung übernommen. Offenbar ist der Autor aber nicht nur ein Fan der Segeberger Inszenierungen, bei denen er selbst auch als Statist mitwirkte, sondern hat auch Gefallen an diversen Karl May Hörspielen gefunden. Inspiration in Vorlagen zu suchen ist nicht unüblich. Jedoch wirkt hier vieles nur kopiert. Dieses Vorgehen war allerdings auch schon in früheren Inszenierungen Dietrichs bei den Festspielen Burgrieden zu verspüren. Schade. Es wäre sicherlich spannend gewesen eine vom Karl May Enthusiasten selbst verfasste Version der Geschichte rund um Old Surehand auf der Bühne zu sehen. Doch wird dies dem Durchschnittsbesucher eher verborgen geblieben sein.
Das Ensemble:
Der „Old Surehand“ Stoff benötigt viele starke Charaktere. Neben den Protagonisten Winnetou, Old Surehand, Apanatschka und Kolma Puschi (wie bei den meisten Inszenierungen wurde auf die Figur des Old Shatterhand verzichtet) stehen mit Old Wabble, General Douglas und Tibo Taka starke Antagonisten im Blickpunkt der dramatischen Familiengeschichte aus der Feder Mays. Hier kann man es sich bei der Auswahl kaum erlauben auf Darsteller zu setzen, die diesen Rollen schauspielerisch der Herausforderung nicht gewachsen sind. Leider ist der Cast in der Pullman City nur bedingt in der Lage gewesen, diesen charismatischen Figuren Glaubwürdigkeit zu verleihen. Es fällt mir nicht leicht, dies in aller Deutlichkeit zu sagen aber Farouk El-Khalili erwies sich in der Rolle des Apanatschka als komplette Fehlbesetzung. Optisch wirkt er wie aus der Feder die sächsischen Erfolgsautoren entsprungen. Sprachlich und von dem körperlichen Präsenz her kann Farouk El-Khalili gar nicht überzeugen. Seine Aussprache ist meistens fast unverständlich, in Zweikämpfen wirkt er zaghaft und auch auf dem Pferd macht er alles andere als eine gute Figur. Auch die Darsteller des Old Wabble (Max Hartl) und des General Douglas (Stefan Wimmer) blieben blass. Allerdings muss man hier anmerken, dass beide keine ausgebildeten Schauspieler sind, sondern zum Show Team der Pullman City gehören. Beide sind sichtlich bemüht, können aber zu keinem Zeitpunkt der Inszenierung ihren Stempel aufdrücken. Gerade bei der Rolle des Old Wabble ist dies bitter, ist er doch eine der interessantesten Figuren in den Werken Karl Mays. In die Reihe der Enttäuschungen reiht sich auch Winnetou Darsteller Ivica Zdravkovic ein. Optisch überzeugend scheint Zdravkovic direkt aus den Jagdgründen der Apachen entstiegen zu sein. In seinem, den Karl May Filmen nachempfundenen Winnetou Kostüm, wirkt er wie der legitime Nachfolger von Pierre Brice. Allerdings hapert es auch bei ihm an der sprachlichen Leistung. Es gilt mit Körperspannung und würdevoller Haltung den edlen Apachen zu verkörpern, sich von anderen Indianerdarstellern abzugrenzen – hier weist der Darsteller noch Defizite auf. Man hat das Gefühl das es seit seinen ersten Auftritten als Winnetou bei den Festspielen in Burgrieden keine Weiterentwicklung stattgefunden hat. Für Ivica Zdravkovic wäre entweder eine engere fördernde Begleitung durch die Regie wichtig oder man muss ihm einen starken Partner an die Seite stellen, der gewisse Funktionen übernehmen und damit die genannten Schwächen kaschieren kann. Vielleicht sollte man Zdravkovic einfach kämpfen und reiten lassen und, ganz Karl May nah, die wesentlichen Texte von Old Shatterhand sprechen lassen. Überhaupt scheint die klare verständliche Aussprache für viele Mitglieder des Ensembles ein Problem zu sein, denn auch Roman Strelzyk als Matto-Schahko ist oft gar nicht oder nur sehr schlecht zu verstehen. Sprechübungen während der Probenzeit sind auch in einem Amateurtheater Standard.
Wo Schatten ist, findet aber man auch Licht. Mit Harald Wieczorek ist es den Veranstaltern gelungen einen Vollblutschauspieler mit enormer Bühnenerfahrung zu verpflichten. Und Wieczorek zeigt genau das. Er ist sicherlich der beste Schauspieler auf der Bühne und weiß von Beginn an zu überzeugen. Dieses trifft auch auf Alexander Milz, der in der Titelrolle des Old Surehand zu sehen ist, zu. Der für die meisten Karl May Fans unbekannte Milz, weiß auf Anhieb zu überzeugen. Optik und Stimme sind wie geschaffen für Inszenierungen von Abenteuergeschichten. Milz nimmt das Publikum mit und weiß auch im Spiel ohne Text zu glänzen. Agil in den Zweikämpfen und sattelfest wird Milz das Publikum in dieser Spielzeit für sich gewinnen. Ein großartiges neues Karl May Gesicht. Auch Claudia Jung ist ein absoluter Gewinn. Schon in Dasing gehörte sie bei den Süddeutschen Karl May Festspielen zu den beliebtesten Schauspielern und setzt dieses bei den Karl May Spielen in der Pullman City fort. Leider ist Ihre Rolle als Kolma Puschi recht klein. Doch Jung ist Vollprofi und holt das Maximale aus ihrer Rolle heraus. Hier hätte man sicherlich beim Schreiben des Textbuches mehr auf diese starke Schauspielerin und Schlagersängerin setzen sollen. Ein absoluter Gewinn.
Ganz besonders viel Freude haben mir allerdings die „verkehrten Toasts“ gemacht: Pitt Holbers (Georg Schlögl) und Dick Hammerdull (Michael Klute). Beide Darsteller gehören zum Show Team der Pullman City und beweisen, dass man auch ohne Schauspielausbildung überzeugen kann. Ein perfektes Zusammenspiel sorgt für die nötigen Lacher an der richtigen Stelle, ohne aufgesetzt zu wirken. Was beide in diesem Ensemble besonders macht? Sie spielen ihre Rollen perfekt zu Ende. Selbst bei Abritten, die für das Publikum sehr weit einzusehen sind, bleiben Sie professionell in ihrer Rolle, bis sie aus dem Sichtfeld geraten. Stimmlich und sprachlich bewegen sich beide auf hohem Niveau und wurden von der Regie auch sehr gut inszeniert. Es war eine echte Freude diese beiden Westmänner so wunderbar Karl-May-Nah auf der Bühne zu sehen.
Die Inszenierung und Fazit:
Das „tierische“ Personal wird noch ergänzt durch einen Wolfshund, der als Bote Manitous die Funktion ausfüllt, die andernorts häufig ein Adler ausfüllt. Die traditionell große Menagerie der Pullman City sorgt hier für schöne Bilder. Mit einem starken ersten Bild (von dem Besucher sich leider nur mit offiziellen Fotos begnügen müssen weil man ein offizielles Foto- und Filmverbot verhängt hat) bei dem u.a. fünf Bisons eindrucksvoll über die Bühne getrieben werden, startet eine in weiten Teilen enttäuschende Inszenierung. Dieses liegt nicht nur an der mangelnden Aussprache und Darstellung vieler Schauspieler, sondern auch an schlampig inszenierten Zweikämpfen und eine unrunde Aneinanderreihung der einzelnen Bilder. Vieles wirkt wie Stückwerk. Getrübt wird das Gesamtbild auch durch eine uninspirierte Musikauswahl. Bei nahezu jedem Auftritt Winnetou und Old Surehands, hört man die bekannten Böttchermelodien. Bei den Auftritten von Holbers und Hammerdull schallt die Miss Marple Melodie durch das Areal. Gerade die Miss Marple Melodie wirkt einfach unpassend und sollte im Wilden Westen der Pullman City keinen Platz finden. Auch die Inszenierung der einzelnen Darsteller hat erhebliches Verbesserungspotential. Wenn man merkt, dass ein Schauspieler unsicher beim Fangen von Messern, Tomahawks oder Speeren ist, sollte man auf diese für die Handlung unwichtigen Elemente verzichten, um auch den Schauspieler zu schützen. Insgesamt ist die Inszenierung sehr textlastig, was für mich normalerweise in Ordnung ist. Allerdings braucht man für Sprechtheater auch Schauspieler, die dieses beherrschen. Wenn man diese nicht hat, muss man andere Wege finden. Die Pullman City nimmt für sich in weiten Teilen Authentizität in Anspruch. Einige Kostüme wirkten allerdings wie aus dem Karnevalsgroßhandel gekauft. Besonders auffällig sind die Kostüme von Tibo Taka und Kolma Puschi. Wer 2017 in Bad Segeberg war, wird hier erkennen das die Vorlagen kopiert wurden. In der Aufführung einer Westerncity, die sich Authentizität und Historizität auf die Fahnen geschrieben hat, hätte ich das nicht erwartet. Das Bühnenbild wirkt für diese Inszenierung eher suboptimal und auch hier wurden Anleihen bei den Karl May Spielen in Bad Segeberg gemacht. Das „Höllenmaul“ ist ähnlich wie seinerzeit am Kalkberg konzipiert und auch das „versteckte Höllengesicht“ leuchtet zur Schlussszene. Aber wenn schon abschauen dann wenigstens bei den Besten.
Natürlich darf man den besonderen Umständen dieses Jahrs nicht unerwähnt lassen. Sicherlich haben die Sicherheitsbestimmungen aufgrund der Corona Pandemie das Proben erschwert und gerade bei Zweikämpfen saubere Probenarbeit nahezu unmöglich gemacht. Außerdem steht man erst am Anfang der eigenen „Karl May Geschichte“. Dennoch waren einfach zu viele handwerkliche Fehler zu sehen, die auf mangelndes Talent, Unsicherheit und Ungeschicklichkeit zurückzuführen sind. Diese sind in den kommenden Jahren unbedingt abzustellen, um den Eindruck einer Amateurveranstaltung abzulegen. Ganz wichtig wird es auch sein, dass man den Winnetou Darsteller Ivica „Ivi“ Zdravkovic sprachlich entwickelt. Zweifelsohne ist er schon heute ein Sympathieträger. Da man ihn aber offenbar in den Mittelpunkt stellen möchte und ihn somit auch als Werbeträger sieht, (2019 „Winnetou und der Fluch des Goldes“; 2020 „Winnetou und das Geheimnis um Old Surehand“; 2021 „Winnetou und der Sohn des Bärenjägers“) sollte man ihn auch dementsprechend als Schauspieler fördern. Allein die Optik und Körperlichkeit reicht selbst als Winnetou nicht.
Wir wünschen den Karl May Spielen in der Pullman City auf ihrem weiteren Weg viel Erfolg und blicken schon jetzt gespannt auf die Spielzeit 2021, wenn es heißt „Winnetou und der Sohn des Bärenjägers“.