Sven Kramer. Wie kam es, dass wir dich dieses Jahr bei den Festspielen Burgrieden auf der Bühne sehen?
Als klar war, dass in Dasing (Anm. Süddeutsche Karl-May-Festspiele) eine Pause eingelegt wird, hatte ich Claudia Huitz (Anm. Geschäftsführung der Festspiele Burgrieden) kontaktiert. Das ging dann ziemlich schnell. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es kam sehr schnell ein Feedback von Claudia und anschließend fand ein Gespräch mit Michael Müller (Anm. Regisseur) statt. Dabei haben wir beide festgestellt, dass wir auf der gleichen Wellenlänge sind.
Warst du vorher schon einmal in Burgrieden?
Im letzten Jahr habe ich mir schon einmal, auf eine Einladung hin, eine Vorstellung angesehen. Es war Schauspiel auf der Bühne. Kleine wunderbare Szenen, Nuancen, die mir wunderbar gefallen und mich nochmal bestätigt haben, hier mitzumachen. Ich konnte nicht sofort zusagen, weil es noch andere Anfragen für den Zeitraum gab. Über die habe ich mich dann aber hinweggesetzt und schlussendlich für dieses Jahr zugesagt.
Im letzten Jahr wurde „Winnetou III“ gespielt. Gibt es aus diesem emotionalen Stück eine Szene, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Das Testament. Als Old Shatterhand beginnt das Testament von Winnetou zu lesen und dieser es oben auf dem Felsen vollendet. Außerdem der Moment als Winnetou das erste Mal eine Kirche sieht und sie immer wieder verstohlen im Hintergrund ansieht. Das hat mich geflasht.
Du warst von 2018 bis 2021 in Dasing aktiv und hast jetzt den Vergleich zu Burgrieden. Wo siehst du die größten Unterschiede?
Das ist schwierig. Ich habe in Dasing zwei Phasen miterlebt. Einmal die Phase mit Peter Görlach als Regisseur (Im Tal des Todes & Old Surehand) und dann noch die beiden Corona-Jahre, in denen ich selber inszeniert habe. Ein großer Unterschied ist natürlich die Größe der Bühne und die Art und Weiße wie Michael arbeitet. Das kommt eigentlich mehr der Arbeit entgegen, die ich 2020 & 2021 gemacht habe.
In Dasing hast du Regie geführt. Dort habt ihr es dann ganz offiziell als Kammerspiel angekündigt. Würdest du das hier auch als Kammerspiel bezeichnen?
Nein. Ein Kammerspiel ist es nicht, es ist einfach Schauspielarbeit. Es ist Aktion-Theater, eine große Freilichtbühne, aber mit Zeit und dem Hauptaugenmerk für Schauspiel. Ein Kammerspiel ist für mich damit begründet, dass man auf einer kleinen Bühne spielt. Die wir in Dasing hatten und meiner Meinung nach während Corona sehr gut genutzt haben. Das Das hier ist für mich großes Theater.
Du standest auch schon öfters vor der Kamera. Hast du einen Favoriten? Kamera oder Theaterbühne?
Für mich sind das zwei ganz unterschiedliche paar Schuhe. Die Arbeit vor der Kamera ist eine ganz andere als die auf einer Theaterbühne. Gerade wenn die Bühne so groß ist, wie diese hier. Ich würde fast sagen, dass das zwei unterschiedliche Berufe sind. Die Basis, das Handwerk, ist zwar das gleiche, aber die Art zu spielen ist unterschiedlich. Wenn ich jetzt hier spielen würde, wie vor einer Fernsehkamera, würde Michael schnell rufen „Mach mal ein bisschen größer, mach mal ein bisschen mehr.“ Andersrum würde der TV-Regisseur sagen, dass ich den Rahmen sprenge. Deswegen finde ich einen Vergleich zu ziehen schwierig. Es macht beides Spaß.
Wenn man dieses Theater mit den großen Karl-May-Bühnen in Bad Segeberg und Elspe vergleicht, würden manche sagen, dass es zu wenige Explosionen und Showelemente gibt. Ist das Schauspiel, welches hier geboten wird, noch aktuell?
Absolut. Es ist eine ganz individuelle Gestaltungsmöglichkeit. Ich bin auch der Meinung, dass jedes Theater für sich etwas Individuelles erarbeiten sollte, um eine persönliche Fußnote zu bekommen. Hier, finde ich, klappt das sehr gut.
Michael legt sehr viel Wert auf den Roman. Seine Textbücher sind sehr nah an dem Original. Glaubst du, dass das Thema Karl May heute noch aktuell ist?
Ja. Ich habe letztes Jahr im Urlaub, als klar war, dass ich hier bei „Winnetou I“ mitspiele, den Roman von Karl May gelesen. Beim Lesen gab es immer wieder Stellen, bei denen ich gehofft habe, dass Michael die so schreibt, wie sie im Buch stehen. Was er auch gemacht hat. Ich denke dass das zeitgemäß und aktuell ist. Gerade die Passagen mit Intschu-tschuna, in denen es um die Verdrängung der Indianer geht. Das ist absolut aktuell. Gerade nach der Diskussion im letzten Jahr mit dem Ravensburger Verlag, bin ich der Meinung, dass man es thematisieren sollte.
Jetzt begegnet man der Diskussion aus dem letzten Jahr hier in Burgrieden, in dem man Karl May persönlich aktiv auf die Bühne stellt.
Das ist offensiv und sehr gut. Denn Karl May hat Geschichten erfunden. Wir machen hier keinen Dokumentarfilm, bzw. –spiele. Deswegen finde ich die Idee von Michael, Karl May hier auftreten zu lassen, als eigene Ebene. Er ist nicht präsent auf der Bühne in der Form, dass er Teil des Stücks ist. Diese Idee ist grandios. Es wird auch sehr schön gelöst und klar gemacht, dass Karl May eine Fantasie-Welt erschaffen hat.
In dieser Geschichte hast du als Intschu-tschuna eine tragende Rolle. Wie würdest du ihn charakterisieren?
Ein sehr integerer, bewusster und verantwortungsvoller Mann. Er ist ein alleinerziehender Vater, der zwei Kinder zu bändigen hat: Eine etwas aufmüpfige Tochter und einen Sohn, der vor Energie strotzt, welcher dazu noch einen anderen Weg gehen möchte, als sein Vater. Das finde ich gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig zu zeigen. Auf der anderen Seite ist er ein Mann, der Verantwortung trägt, für seinen Stamm, der von Veränderungen bedroht wird. Diesen Veränderungen versucht er Herr zu werden und sich einfach dieser Verantwortung zu stellen.
Wie funktioniert das Zusammenspiel mit dem eigentlichen Titelhelden? Das Publikum erwartet gerade in „Winnetou I“ ja hauptsächlich Winnetou.
Wenn du „Winnetou I“ von Karl May liest, wird schnell deutlich, dass Intschu-tschuna der prägende Part ist. Es ist die Geschichte vor dem „Helden Winnetou“. Deswegen ist das auch selbstverständlich und die Freude, bzw. Herausforderung, Intschu-tschuna so zu spielen. Aber das alles liegt an der Vorgabe des Textbuchautors. Sprich an Michael, der das so geschrieben hat und seine Ideen hat einfließen lassen. Da ist es meine Aufgabe es so umzusetzen.
Welche ist für dich deine schönste Szene? Was macht dir am Meisten Spaß?
Von der Choreografie her, macht mir der Zweikampf wahnsinnig Spaß. Gemeinsam mit Alexander Baab (Anm. Winnetou & Stundchoreograph) und Martin Strele (Anm. Old Shatterhand), meinem Kampfpartner in dieser Szene, hab ich den erarbeitet. Das war super. Auch die Szene sechs gefällt mir sehr gut. In der kommen die drei Apachen mit Klekih-Petra in das Eisenbahnerlager und Intschu-tschuna stellt klar: „Hey Leute, ihr seid hier auf unserem Grund und Boden.“ Dazu kommt noch die achte Szene, in der ich „meinem Volk“ die Nachricht vom Tod von Klekih-Petra überbringe. Wobei man die 14, die Blutsbrüderschaft, jetzt auch nicht ganz außeracht lassen kann. Die Frage eindeutig zu beantworten ist schwierig. Mir macht das alles sehr viel Spaß.
Aus deinem Schwärmen hört man heraus, dass dieser Sommer vermutlich einen hohen Stellenwert in deiner Karriere einnehmen wird. Könntest du dieses Erlebnis irgendwie einordnen, wenn du ein Ranking machen müsstest?
In den Top 5 ist er auf jeden Fall dabei.
Du hast mir erzählt, dass der OId Surehand in Dasing (Anm. 2019) damals für dich eine Traumrolle war. Dürftest du dir die Rolle und das Stück für nächstes Jahr aussuchen. Worauf würde deine Wahl fallen? Was würdest du hier gern einmal spielen?
Ganz klar „Der Ölprinz Sowohl als Stück, als auch als Rolle. Für mich ist diese Figur, nach Santer, der Schurke überhaupt im Karl-May-Universum.
Am Samstag ist Premiere. Anfang der Woche hieß es plötzlich, dass der Regisseur krank ausfällt. Am Dienstag kam das Unwetter dazu. Wird man da nicht ungeduldig oder nervös?
Das waren jetzt drei Tage. Davor haben wir viereinhalb Wochen geprobt und dabei ein Fundament erarbeitet, welches diese Ausfalltage nicht zum erschüttern bringen können.
Ich mache den Job seit 30 Jahren. Da ist dann schon eine „Grundruhe“ drin. Ein-/zweimal habe ich mit Michael telefoniert und wir haben uns gedacht, was soll schief gehen? Das Ensemble ist super, die Inszenierung ist rund. Dass sich hier und da etwas noch einspielen muss und der Übergang vielleicht noch nicht hundertprozentig sitzt, ist nicht schlimm. Für den ersten Durchlauf, fand ich das heute genial. Ich hoffe, dass in der Generalprobe ein paar dickere Böcke drin sind, damit wir am Samstag sagen können, wir spielen eine schöne Premiere. Vielleicht wäre ich mit 25 Jahren hektisch geworden. Aber heute mit 54 weiß ich, dass die Basis steht. Also alles gut.
Wie schwierig waren die Bedingungen bei der großen Hitze und den Sturzbächen an Regen in dieser Woche, zu arbeiten? Hast du ein bestimmtes Vorgehen für solche Momente/Zeiten, in denen du kaum arbeiten kannst und dich doch auf die entscheidenden Tage vorbereiten musst?
Du kannst dir natürlich immer Gedanken über die Proben, deine Rolle oder ähnliches machen. Wie die Proben abgelaufen sind, welche Anweisungen du bekommen und einzelne Szenen erarbeitet hast. Das wird in dieser ruhigeren Zeit reflektiert. Dafür benötige ich keine extra Probe. Das ist ja auch die Freude, wenn du merkst, dass eine Szene steht, die du mühsam erarbeitet hast. Dann habe ich die im Kopf und möchte die auch so spielen. Heute bei unserem ersten kompletten Durchlauf, gab es eine Szene, die ich ein wenig improvisiert habe. Ich glaube das war ganz okay. Das kam mir heute so aus dem Bauch. Diese Sicherheit musste ich mir in den letzten Wochen erarbeiten.
Was wäre deine Antwort, wenn dich jemand fragt, warum er/sie nach Burgrieden fahren sollte?
Kurz und knapp: Weil Bad Segeberg nicht der Nabel der Welt ist. (lacht) Das soll keineswegs abwertend klingen. Das hier ist eine tolle, buchnahe Aufführung. Es wird ein großartiges Stück geboten. Gespielt von einem sehr engagierten Ensemble, mit ganz viel Herzblut und einer großen Detailversessenheit. Inszeniert von einem großartigen Regisseur.
Das klingt nach sehr viel Lob unter anderem für Michael Müller. Wie ist es mit ihm als Regisseur zusammen zu arbeiten?
Das war keine Übertreibung. Zu den Telefonaten vor zwei Jahren, kamen jetzt noch die fünf Wochen Probenarbeit. Das macht mir extrem viel Spaß. Intschu-tschuna ist jetzt keine Rolle, die man sofort im Kopf hat, wenn man an „Winnetou I“ denkt. Man muss sich ihr natürlich nähern und eigene Ideen einarbeiten. Wenn diese Ideen mit denen des Regisseurs nahezu deckungsgleich sind, ist das ein ganz tolles Ergebnis.
Was wünscht du dir für die Saison?
Natürlich hoffe ich, dass wir keine Unfälle auf der Bühne haben. Wenn das Wetter mitspielt, kommen hoffentlich auch die Menschen und verbringen hier einen schönen Nachmittag. Außerdem wünsche ich mir, dass das Publikum das Stück mit der gleichen Neugier sieht wie ich, als ich es das erste Mal gelesen habe. Das zu vermitteln wäre ein Erfolg.
Vielen Dank für deine Zeit. Wir wünschen Dir und dem gesamten Team eine erfolgreiche Premiere und Saison.
Das Foto stammt von Susanne Stupperich