Die Karl May Spiele in der Pullman City und die Covid-19 Situation – Eine nachdenkliche Betrachtung
Kann es bei einer Karl May Aufführung etwas Wichtigeres geben als eine Karl May Aufführung? Ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Frage einmal mit Ja beantworten muss. Aber von Anfang an: Am vergangenen Samstag war ich als Vertreter der Wild West Reporter Besucher der Premiere von „Winnetou und das Geheimnis um Old Surehand“ im bayrischen Eging am See. Gerne kam ich der Einladung der Marketingleiterin zu einem persönlichen Treffen im Vorfeld der Premiere nach. Im Saloon der imposanten Westernstadt führte ich bei einem guten Kaffee ein Gespräch rund um die Inszenierung und die Geschichte der Westernstadt. Dies war jedoch mit der ungewöhnlichen Bitte verbunden, im späteren Bericht keine Aussagen über Zuschauerzahlen zu tätigen und keine Bilder von den Zuschauerrängen zu machen.
Die wahre Bedeutung dieser Bitte wurde mir recht schnell bewusst: Man hatte einen guten Grund, mich zur Vernachlässigung dieser eigentlich selbstverständlichen Informationen im Rahmen einer Berichterstattung aufzufordern. Doch zunächst ließ ich mich von der Atmosphäre der liebevoll gestalteten Umgebung und des Bühnenumfeldes gefangen nehmen.
Eigentlich erschien alles geordnet und geregelt. Meine Online gekaufte Karte wurde eingescannt, meine persönlichen Daten wurden aufgenommen, überall war es möglich, die Hände zu desinfizieren. Auch der Erhalt einer Platzkarte für die Karl-May-Show sorgte bei mir für ein gutes Gefühl der Sicherheit. Das Corona-Konzept schien zu funktionieren. In den wesentlichen Bereichen der Pullman City muss man Mundschutz tragen und wie üblich sollen Besucher auf den Mindestabstand achten. Bekannte Standards zum Schutz unserer Gesundheit, an die wir uns alle mehr oder wenig gewöhnt haben. Sicherheitsvorkehrungen, die auch auf der Website der Pullman City als Bedingung für einen Besuch aufgeführt sind.
Auf der Tribüne des Theaters bot sich ein völlig anderes Bild. Als Pressevertreter hatte ich die Gelegenheit, in der ersten Reihe zu sitzen – mit organisiertem Sicherheitsabstand. Aber direkt hinter mir saßen die Zuschauer dicht an dicht, ohne Berücksichtigung des verpflichtenden Sicherheitsabstandes. Hätte es im ganzen Tribünenbereich keine Maskenpflicht gegeben, hätte man sich ins Jahr 2019 auf einer x-beliebigen Festspielbühne zurückversetzt fühlen können. Eine überraschende Wahrnehmung. Grotesk wirkte jedoch, als sich Ehrengäste aus der Politik zu ihren Plätzen führen ließen. Diese Sitzreihen wiesen ebenfalls keinen Sicherheitsabstand auf. Anwesende Journalisten bezeichneten die Situation vor Ort als „absurd“ und schätzten die Besucherzahl auf 800 und 1100 auf einer laut inoffiziellen Angaben 1500 Besucher fassenden Tribüne.
Mein Sicherheitsempfinden war dahin. Persönlich gelte ich aufgrund einer Diabetes Erkrankung als Risikopatient und muss in der jetzigen Situation ganz besonders auf meine Gesundheit achten. Warum bin ich nicht einfach aufgestanden und gegangen? Die ehrliche Antwort: Ich hatte mich darauf gefreut, in die Welten Karl Mays einzutauchen, eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und mit Leidenschaft meinem Hobby nachzugehen. Diese Leidenschaft hat mich von dem abgehalten, was eigentlich vernünftig gewesen wäre. Diesen Vorwurf muss sich jeder, der sich auf der Tribüne befand, gefallen lassen.
Die von mir angesprochene Leidenschaft unterstelle ich aber auch dem Veranstalter. Doch die Pullman City kann nur dann unserer Unterhaltung dienen, wenn sie auch wirtschaftlich arbeitet und entscheidet. Angestellte müssen bezahlt werden, es wurde in eine wunderschöne Tribüne, Kostüme und Kulissen investiert, auch wurden Schauspieler engagiert. Dennoch müssen nun auch die Verantwortlichen Fehler einräumen. Es ist schwierig aber unabdingbar, die Leidenschaft zum Western, zu Karl May und die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele mit den gesetzlichen Vorgaben für die Organisation einer solchen Veranstaltung zu kombinieren. Werden hier Fehler gemacht, kann es fatale gesundheitliche und finanzielle Folgen haben. Für das Unternehmen und für eine ganze Branche. Niemand mag sich aktuell ausmalen, was passieren würde, wenn bei einer solchen Aufführung ein neuer Corona-Hot-Spot entsteht.
Bereits während der Heimreise habe ich mir nicht nur Gedanken über die Inszenierung gemacht, sondern auch über den Umgang mit der Covid-19 Situation. In der Folge habe ich mehrfach und auf verschiedensten Kanälen versucht, die Marketingleiterin der Pullman City zu erreichen. Gerne hätte ich den Verantwortlichen die Möglichkeit gegeben, zu meinen Fragen Stellung zu beziehen. Leider kam es nicht zu dem von der Telefonzentrale gleich fünfmal avisierten Rückruf. Auf schriftliche Anfragen wurde gar nicht reagiert. Also bemühte ich mich in anderer Form um Aufklärung.
Ein Gespräch mit dem 1. Bürgermeister der Gemeinde Eging am See, Walter Bauer, führte ins Leere. Zwar hat er mit einem Pistolenschuss vor der vollen Tribüne die Karl-May-Spiele in der Pullman City eröffnet, konnte aber keine weiterführenden Informationen zum Umgang mit den Sicherheitsvorkehrungen geben. Nach Telefonaten mit Verantwortlichen des Bayrischen Gesundheitsministeriums, frei zugänglichen und offiziellen Dokumenten des Freistaates musste ich zu dem Schluss kommen, dass man sich während der Karl May nicht an die gültigen Sicherheitsvorkehrungen für eine Veranstaltung dieser Art gehalten hat. Die Regelungen sind mir in einem persönlichen Gespräch mit einem verantwortlichen Mitarbeiter des Ordnungsamtes des Landkreises Passau (Name ist der Redaktion bekannt) bestätigt worden. Als nähere Beleg finden sich die Auszüge aus der sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung am Ende des Textes
Es hätten sich maximal 200 Besucher auf der Tribüne einfinden dürfen (seit 14. Juli: 400), sofern der Sicherheitsabstand zwischen Gruppen, Familien und Einzelpersonen mindestens 1,50 Meter beträgt. Diese Kennzahlen wurden uns vom Passauer Ordnungsamt bestätigt. Bei solch einer Aufführung gibt es für die Abstandsregelungen und die maximale Anzahl an Personen keinerlei Sondergenehmigungen – auch nicht in Freizeitparks.
Zum Vergleich: Im Phantasialand Brühl werden diese Regelungen, die ähnlich wie in Bayern lauten, vollständig eingehalten. Selbst das Wechseln von Plätzen wird von Ordnern sofort reglementiert. Laut Wild West Reporter Andreas Hardt, der kürzlich vor Ort war, wurde bei den dortigen Shows peinlichst genau auf Mindestabstände geachtet.
Auf Nachfrage beim Geschäftsführer der Süddeutschen Karl-May-Festspiele in Dasing wurde mir bestätigt, dass auch hier die 1,50 m Abstand zwischen den Zuschauern/Gruppen für die Aufführungen von „Winnetou I auf Bayrisch“ auf der rund 700 Personen fassenden Tribüne eingehalten werden müssen.
Diese Maßgaben des Freistaates Bayern sind nach den uns vorliegenden Informationen von der Pullman City missachtet worden. Ich wünsche mir, dass der Verantwortlichen die Situation rund um die Premiere zum Nachdenken bewegt und man das Konzept überdenkt. Viele Schauspieler können in der Corona-Krise ihrer Arbeit nicht nachkommen, weil sich die sonstigen Veranstalter an die Vorgaben des Bundes und der Länder halten. Eben diese Unternehmen kämpfen wegen Mindereinnahmen um ihre wirtschaftliche Existenz. Es sind Veranstalter, die ein Existenzrisiko eingehen, um unsere Gesundheit zu schützen.
Angesichts dieser Tatsache scheint eine Veranstaltung wie die Premiere der Karl-May-Spiele in Pullman City nicht nur absurd, sondern verantwortungslos. Außerdem hat man sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Karl May Bühnen „erschlichen“. Kaum jemand sonst kann in diesem Jahr eine Inszenierung auf die Bühne bringen. An erster Stelle steht der Schutz unserer Gesundheit. Und diese wurde meiner Einschätzung nach in Eging am See grob fahrlässig riskiert.
Liebe Verantwortliche der Pullman City: Wir sind alle Fans und Freunde von Karl May auf der Bühne. So dürfte das Thema aber niemandem unbeschwert Freude bereiten. Wir möchten einen Impuls geben, über das Geschehene nachzudenken, die Planung zu überarbeiten und die Karl-May-Show unter besseren Bedingungen fortzusetzen. Die Vorgaben stammen schließlich nicht von irgendwem, sondern von Experten. Experten, die sich auf ihrem Gebiert einfach besser auskennen als wir alle.
Heinz-Gerd Stricker für die Wild West Reporter
In Ergänzung zu obigen Kommentar Auszüge der bis zum 13. Juli geltenden Vorschriften:
Sechste Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020
§ 1 Allgemeines Abstandsgebot, Mund-Nasen-Bedeckung (1) 1. Jeder wird angehalten, die physischen Kontakte zu anderen Menschen auf ein Minimum zu reduzieren und den Personenkreis möglichst konstant zu halten. 2. Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten…
§ 11 Freizeiteinrichtungen (1) 1.Der Betrieb von Freizeitparks und vergleichbaren ortsfesten Freizeiteinrichtungen ist nur im Außenbereich und unter folgenden Voraussetzungen zulässig: Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Besuchern im gesamten Betriebsbereich eingehalten werden kann.
3. Der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage eines von den Staatsministerien für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und für Gesundheit und Pflege bekannt gemachten Rahmenkonzepts auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
§ 21 Kulturstätten
Kulturelle Veranstaltungen in Theatern, Konzerthäusern, auf sonstigen Bühnen und im Freien sowie die dafür notwendigen Proben und anderen Vorbereitungsarbeiten sind nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
1. Der Veranstalter hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich zwischen allen Teilnehmern, also Besuchern und Mitwirkenden, die nicht zu dem in § 2 Abs. 1 bezeichneten Personenkreis gehören, ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden kann; bei Einsatz von Blasinstrumenten und bei Gesang ist ein Mindestabstand von 2 m einzuhalten.
2. Unter Beachtung der Anforderungen nach Nr. 1 sind in geschlossenen Räumen höchstens 50 und unter freiem Himmel höchstens 100 Besucher zugelassen; bei Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen beträgt die Anzahl der möglichen Besucher in geschlossenen Räumen höchstens 100 und unter freiem Himmel höchstens 200.
Quelle: https://www.stmgp.bayern.de