Ein bisschen Schwund ist immer…
Eindrücke und Gedanken zur Generalprobe der Karl May Spiele
23 Grad, ein warmer Sommerabend, 8000 erwartungsvolle Menschen und wir mittendrin.
Wovon ist die Rede? Natürlich von der gestrigen Generalprobe der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg. Ohne Zweifel ein erlebnisreicher Abend.
Angefangen von der Tatsache, dass die Besucher durch den Regisseur (zu Pferd) zu einer öffentlichen Generalprobe ansprechend mit einer Herzlichkeit und einem Applaus begrüßt wurde, wie es sich jeder Schauspieler im Anschluss an eine eigene Darbietung nur wünschen kann. Bis hin zu der Erkenntnis, dass wir wieder Premiere einer Erstaufführung geworden waren. Denn der Titel „Winnetou I“ mag vertraut sein, die Art der Darbietung bot so viele neue und ungewohnte Momente, dass es schlichtweg eine Premiere war. Alle wesentlichen Aspekte der Romanvorlage sind bildgewaltig in die diesjährige Inszenierung integriert und um teilweise frei erfundene Elemente ergänzt. Ein Erfolgsrezept der Bad Segeberger Bühne, das jedoch in diesem Jahr noch einmal perfektioniert zu sein scheint.
Doch wollen wir an dieser Stelle mehr auf die Frage eingehen ob und in welchem Umfang es zu Überraschungen oder gar Fehlern kam – denn bekanntlich sagt die Legende, dass auf eine misslungene Generalprobe eine perfekte Premiere folgen soll. Bezüglich der exakten Inhaltsbeschreibung und Darstellerleistungen wollen wir die Spannung auf den Höhepunkt treiben und hierzu erst nach der Premiere berichten.
Zurück zur Generalprobe. Um es kurz zu machen: ein bisschen Schwund ist immer. Doch in dieser Generalprobe war es extrem geringer Schwund, der den Eindruck einer rundum gelungenen Veranstaltung nicht verhindern konnte. Eine alte Hollywood Regel lautet, nie mit Kindern und wilden Tieren zu spielen. Denn beide seien völlig unberechenbar. Unberechenbar ist am Kalkberg vor allem das Wetter. Ein ungewöhnlicher und denkwürdiger erster Auftritt von Harald P. Wieczorek soll effektvoll von einem künstlich aufwallenden Nebel begleitet werden. Doch ein ausgerechnet in diesem Moment aufkommender Windstoß „torpedierte“ diesen Moment. So schnell kann es gehen, so unmöglich ist die Natur eben zu kontrollieren. Alle Mitwirkenden ließen sich hiervor jedoch nicht weiter beeindrucken und spielten souverän weiter. Mehr wollen wir hier nicht verraten, die epische Szene wird von uns erst im Rahmen der Premierenbetrachtung erfolgen.
Als eine besondere Baustelle erwies sich im ersten Akt der Ton. Schon die Sicherheitsansage ging im Stimmengemurmel der Zuschauer fast völlig unter. Auch der Erzählerton des unvergleichlichen Reiner Schöne war nur schwer verständlich. Da man im Vorfeld fiel Geld in neue Lautsprecher investiert hatte, muss es wohl ein menschliches Versagen gewesen sein.
Der weitere Verlauf der Inszenierung gestaltete sich bereits turbulent als Bastian Semm alias Old Shatterhand von der Sturheit des eigenen Pferdes überrascht, dieses nur mit Mühe auf den richtigen Pfad lenken konnte und nur knapp eine Kollision mit dem Reittier von Volker Zack alias Sam Hawkens verhinderte. Übrigens nicht das einzige tierische Problem. In der Folge verweigerte das Pferd von Wolfgang Bahro alias Santer genauso den Dienst, wie es auch der Seeadler im zweiten Akt tat. Alte Hollywoodweisheiten gelten eben immer noch.
Getragen von einer vielfältigen aber zu jeder Szene passenden Musikauswahl, durften sowohl Winnetou als auch seine Schwester mittels eines wahren Meister- bzw. eines Warnschusses Menschenleben retten. Verblüffend war lediglich, dass unmittelbar nach den erklungenen Schüssen die beiden Geschwister die Bühne betraten ohne eine Waffe bei sich zu tragen. Oder die Waffen waren so gut versteckt, dass sie uns nicht auffielen. Jedenfalls war dieser Umstand bei vielen Zuschauern um uns herum aufgefallen. Doch die Handlung ließ sich davon nicht aufhalten.
Als eher sperrig und hinderlich erwies sich in einer außergewöhnlich spirituellen Szene, dass nur zwei von drei vortragenden Personen für den Zuschauer auffällig und eindeutig positioniert waren. Da die Szene aber genau davon lebt, dass der Zuschauer beobachten kann, dass drei völlig unterschiedliche Charaktere (Winnetou, Pida und Nscho-tschi) im selben Augenblick ihre Sorgen, Hoffnungen und Wünsche mit ihrem Gott teilen können, wird hier vermutlich auch bis zur Premiere noch an einer Optimierung von Auftritt und Wirkung gearbeitet werden.
Dass in einer regelrechten Massenszene lediglich einem Statisten die Perücke im Kampfgetümmel verloren ging, darf als Fußnote wahrgenommen werden.
Was mit zunehmender Dauer aufgesetzter wirkte waren die Wortspiele einzelner Figuren die immer auf frühere und aktuelle Engagements von Wolfgang Bahro anspielten. Gerade wenn ständig über eine Schurkenfigur gelacht wird, geht viel von seiner gefährlichen Aura verloren.
Doch trotz dieser noch allgemein beschriebenen Situationen blieb die Probe ohne Unterbrechung und wurde vom Publikum mit großem Applaus bedacht. Einer alten Theatertradition folgend, blieben die Darsteller nach ihrem Abgang hinter der Bühne. Berührt haben dürfte der kräftige Applaus trotzdem.
Die Bühne ist angerichtet und wir werden davon berichten. Dass die Premiere erfolgreich verlaufen wird, dürfen wir wohl annehmen.